Donnerstag, 29. Dezember 2011

Kain von Jose Saramago


Eine der merkwürdigsten und zugleich legendärsten  Gestalten des Alten Testaments ist Kain. Kain, der Ackerbauer, wird in Gen 4,1 als Adams und Evas Erstgebore­ner eingeführt. Weil der HERR Kains Opfer von den Früchten des Feldes nicht annahm und statt dessen das Lammopfer von Kains Bruder Abel bevorzugte, erschlug Kain seinen Bruder. Zur Strafe vertrieb der HERR den Kain von sei­nem Acker und verurteilte ihn zur unsteten Existenz eines Vogelfreien. Zu­gleich zeichnete ihn der HERR mit dem berühmten Kainsmal, das ihn vor ge­waltsamem Tod bewahren sollte. Kain zog gen Osten in das Land Nod, das Land des Wanderns, wo er heiratete, Kinder zeugte und eine Stadt mit dem Namen seines ersten Sohns Henoch gründete. Am Ende der Kain-Dynastie ste­hen dann Lamech und einige Stammväter diverser archaischer Berufsgrup­pen. Damit endet die biblische Geschichte von Kain und seinen Nachkommen ziemlich abrupt, denn im folgenden Gen 5 wird der Stammbaum von Adam an noch einmal aufgebaut. Nach dem Fiasko mit Kain und Abel wird ausgehend von Set der zweite Versuch unternommen, eine anständige Menschheit zu eta­blieren.
Diesen Kain nun hat Jose Saramago zum Titelhelden seines letzten Romans gemacht, um mit ihm und durch ihn furios mit Gott abzurechnen. Bei Saramago ist Kain der große Gegenspieler Gottes, der selbstbestimmte, emanzipierte Mensch. Kain kennt seinen HERRN und lernt ihn im Verlauf der Handlung im­mer besser kennen. Schon der Brudermord an Abel ist Vergeltung für die Gefall- und Eifersucht des HERRN. Da er Gott nicht töten kann, tötet Kain Gottes Liebling. Das Kalkül ist durchaus perfide: Außer Kain hat Gott nun keinen Enkel mehr, denn Set ist noch nicht geboren, zu mal der in diesem Er­zählstrang der Genesis gar nicht vorkommt. Gott kann Kain also nicht umbrin­gen, ohne sein Projekt in Frage zu stellen. Gottes Strafe ist Kains Ausschluss aus Gottes Volk. Kain wird zum ersten Homo Sacer, allerdings sichert ihm das so schlecht beleumundete Kainsmal den Schutz seines Großvaters.
Es folgt eine Wanderung durch Zeit und Raum. Station gemacht wird bei Li­lith, Verstoßene wie Kain selbst. Lilith, traditionell die Verkörperung des Dä­monischen im Weibe, ist bei Saramago das Urweib schlechthin, die Männer­fresserin, die Femme fatale, die Sexgöttin. Sie findet in Kain, dem Brudermörder, ihre wahre Be­stimmung. Ihr Mann Noah bleibt eine fast bedauernswerte Randfigur der Weltgeschichte und zeichnet sich lediglich dadurch aus, dass er vergeblich versucht, Kain umbringen zu lassen, später aber die Größe besitzt, seine Stadt nach Liliths und Kains Sohn Henoch zu benennen. Noah stirbt eines natürli­chen Todes. Am anderen Noah, dem Nachkommen seines Bruders Set, den er nie kennengelernt hat, wird Kain am Ende der Geschichte seine Rache an Gott zu Ende bringen.
Dazwischen wird Kain Augenzeuge und auch Protagonist der schändlichsten Untaten des HERRN an seinen Geschöpfen, die da wären: die angeordnete und glücklicherweise nicht vollzogene Tötung des eigenen Sohnes durch Abra­ham, die Zerstörung von Sodom und Gomorrha samt der unschuldigen Kinder, die allgemeine Sprachverwirrung wegen des Turmbaus zu Babel, das göttlich sanktionierte üble Spiel des Satan mit Ijob, die Eroberung Ka­naans unter Josua und die damit einhergehende Ausrottung der einheimi­schen Stämme, die Ermordung der 3000 Israeliten, die in Moses Abwesenheit den Baal angebetet hatten, schlussendlich die Sintflut. Dabei gelingen dem großen Erzähler Saramago eindringliche Schilderungen und bedenkenswerte anthropologische Exkurse. Zweifellos herausragend die Streitgespräche zwi­schen Kain und dem HERRN, die letzteren in der Regel als Verlierer sehen, bis auf das allerletzte, das bis heute anhält.
Der Kain Saramagos ist der ewige Rationalist und Aufklärer. Kain ist ungläu­big, weil er weiß, Gott straft die, die ihn anbeten, und tötet die, die ihn nicht anbeten, bis auf den einen, den er nicht töten kann, weil der ihn kennt. Kain hat sei­nen Bruder Abel getötet, weil er Gott nicht töten konnte. Er tötet danach nie wie­der, bis der HERR selbst ihm die Gelegenheit gibt, die letzten Menschen zu beseitigen, die naiv genug sind, Gottes Wort Vertrauen zu schenken. Am Ende der Geschichte sind Gott und Kain unter sich und tun das, was der HERR wohl von Anfang an am liebsten getan hätte (kleiner Seitenhieb in Richtung Benedikt XVI.): philosophische Streitgespräche führen, denn, das will Saramago wohl versöhnlich sagen, Gott braucht den Menschen als sein Ebenbild, nicht umgekehrt.

Donnerstag, 22. Dezember 2011

500 Mrd. für Banken


Das soll nun einer verstehen: Die Euro-Gruppe beschließt die Erhöhung der Eigen­kapitalquote der Euro-Banken auf 9%. Die EZB vergibt seit gestern zinsgünstige Kredite in Höhe von knapp 500 Mrd. Euro mit einer Laufzeit von bis zu 3 Jahren an die selben Banken, um den Kreditfluss zwischen den Banken zu stützen. Passt ir­gendwie nicht zusammen, oder? Versuchen wir das mal aufzudröseln.

Erhöhung der Eigenkapitalquote bei etwa gleichbleibendem Geschäftsvolumen (Bilanzsumme) senkt die Eigenkapitalrendite einer Bank. Die Eigenkapitalrendite ist aber der Indikator, an dem Bankmanager gemessen werden. Stichwort Boni. Man denke an die alljährlichen Ankündigungen von Josef Ackermann zur angestrebten Eigenkapital­rendite der Deutschen Bank. Die derzeit beste und auch gängige Methode zur Er­zielung einer hohen Eigenkapitalrendite ist die Verwendung von möglichst viel Fremdkapital, das heißt faktisch, Investitionen oder Kredite vorwiegend fremd zu finanzieren, also Kredite von anderen Banken oder Kapital von Investoren aufzunehmen. Die Forderung nach Erhöhung der Eigenkapitalquote hat wohl zu einem Stocken dieses Kapitalflusses zwischen den Banken geführt, weil Bankmanager kein wirkliches In­teresse daran haben, Kredite an andere Banken zu vergeben, die ggf. nicht in der Lage sind, diese Kredite hinreichend gewinnbringend einzusetzen.
Man ist geneigt zu vermuten, dass hinter all diesen Geschäftsmodellen der Banken ein System steckt, das man fast als Verschwörung ansehen könnte. Das hat bei den Immobilienkrediten funktioniert, die dann zur Subprime-Krise von 2008 ge­führt haben, und scheint nun bei der Staatsfinanzierung ähnlich abzulaufen. Es werden Kredite in der Erwartung der Kreditnehmer vergeben, dass der Wert des Finanzierungsgegenstandes steigt oder wenigstens stabil bleibt. Bei Erreichung ei­nes hinreichend großen Gesamtfinanzierungsvolumens wird der Gegentrend einge­leitet: Die Bewertung des Finanzierungsgegenstandes wird gesenkt. Im Fall der Hausfinanzierung macht das der, wiederum bankenbeherrschte Immobilienmarkt, bei der Staatsfinanzierung übernehmen die Ratingagenturen die Umbewertung. Dadurch steigen die Zinsen der Kreditnehmer bei Umschuldung, von Tilgung ist ja eh nicht die Rede, und die Gläubiger streichen Extraprofite ein oder, wie im Falle der Immobilienfinanzierung, werden durch Liquidierung Eigentümer des Finanzie­rungsgegenstandes. Man hat es also mit einem Umverteilungsszenario zu tun, bei dem die Rating- und sonstigen Bewertungsagenturen eine beträchtliche Rolle spielen. Dass dabei diese oder jene Bank auf der Strecke bleibt, wird von den Konkurrenten billigend in Kauf genommen, allerdings nicht von den Kredit neh­menden Staaten, die auf ihre liquiden Gläubiger angewiesen sind. Diese machen sich die Abhängigkeit zu Nutze, indem sie mit Unterstützung der Ratingagenturen die Zinsen step by step erhöhen und, im Falle, dass die Schuldner ernst machen – siehe Eigenkapitalquote oder Schuldenabbau – in den Kreditstreik treten, von dem dann die so genannte Realwirtschaft betroffen ist.
Es ist ein System, dass sich auf diese Weise immer weiter hochschaukelt. Offenbar ist Staatsfinanzierung gegenwärtig das lukrativste Geschäft. Anders ist der Auf­stand der Banken nicht zu deuten. Außerdem müssen den 500 Mrd. Euro der EZB ja Schulden in entsprechender Höhe gegenüber stehen. Statt Schuldenabbau also weitere Erhöhung der Verbindlichkeiten. So lange diese zwischen den Banken verbleiben, ist das wohl unkritisch. Doch Banken wollen und müssen mit dem Geld gewinnbringende Geschäfte tätigen, die - so die heutigen Agenturmeldungen - auch die 2012 anstehende Refinanzierung von Staatsschulden in der Euro-Zone umfassen.
Alles bleibt also wie gehabt. Keine Änderung der Geschäftsmodelle, kein Schul­denabbau. Statt dessen wächst die Kreditblase weiter. 

Freitag, 9. Dezember 2011

Bella Vista


Da schwant einem nichts wirklich Gutes. Wir müssen uns wohl auf ungemütli­che Zeiten einstellen. Keine der Alternativen lässt uns ungeschoren davon kommen, wenn sie denn überhaupt realistisch sind.
Schuldenabbau: Das hätte wohl ein Sinken staatlicher Ausgaben und Investi­tionen und damit einen wirtschaftlichen Rückgang in bestimmten Branchen (Bau, Verkehr, Energie, Gesundheit) zur Folge, von den zu reduzierenden staatlichen Zuschüssen an Kranken- und Rentenkassen ganz abgesehen. Würden flankierend Steuern und Abgaben angehoben, würde dies zu sinken­dem Konsum und geringerer Sparquote führen. Auch nicht so toll. Geringere Spareinlagen könnten wiederum die Banken in Schwierigkeiten bringen, da dies die Kreditvergabe beeinträchtigen würde. Weniger Kredite, weniger Ge­winn, weniger Steuern usw. usf.
Inflation: Will an sich keiner, wenn sie oberhalb des Wirtschaftswachstums liegt. Inflation würde die Schuldenlast effektiv senken, das BIP würde nomi­nell steigen und flugs wäre man unterhalb der gesetzlich vorgeschriebenen maximalen Neuverschuldungsquote. Hilft aber nicht wirklich, weil eine hohe Inflationsrate zwar den Konsum befeuern könnte, die Investitionsneigung aber senken und sich schließlich entweder alles lediglich mit veränderten Zahlen wie­der einpegeln oder aber in einem großen Währungscrash enden würde. Was allerdings entschieden gegen das Inflationsszenario spricht, ist zum einen, dass es in der gegenwärtigen Euro-Konstruktion mit der EZB an der Spitze der Geldpyramide gar nicht funktioniert, und zum anderen, dass die westli­chen Länder eine massive Überproduktion haben, so dass Preiserhöhungen durch Güterverknappung äußerst unwahrscheinlich sind. Das Problem ist ja auch nicht die Geldmenge sondern im Gegenteil der Geldüberfluss an der falschen Stelle. Selbst wenn die EZB Staatspapiere aufkauft, erzeugt sie damit keinen Zuwachs der verfügbaren Geldmenge, sondern gleicht lediglich Haus­haltsbilanzen aus. Solange der monetäre Gegenwert der Staatspapiere nicht in Umlauf kommt, ist das Inflationsrisiko überschaubar. Was weiter gegen eine Geldentwertung spricht, ist die faktische Kopplung der anderen europäischen Währungen an den Euro. Bei den osteuropäischen Staaten ist dies offensicht­lich, die würden in die Entwertung hineingezogen, weil ihre Wirtschaft sonst massiv unter die Räder käme. Selbst die Schweizer Nationalbank hatte solche Befürchtungen, als sie vor einigen Wochen das Kursziel für den Euro bei 1,2 Sfr. fixierte1. In diesem Szenario stimmt der Merkel-Satz: „Scheitert der Euro, scheitert Europa.“ ausnahmsweise.
Währungsreform: Macht jetzt nur Sinn als gesamtgesellschaftlicher Bank­rott. 17 Euro-Länder müssten sich darauf einigen, gemeinsam, unangekün­digt, quasi über Nacht Zahlungsunfähigkeit anzumelden. Da außer China kein Land in Sicht ist, das dem finanziell entgegenwirken oder gar wirtschaftlichen Druck ausüben könnte, wären damit alle Staatsschulden weg, aber auch alle Staatsguthaben in Euro und alle irgendwo auf der Welt umlaufenden oder de­ponierten Euro wären umgehend wertlos. Die Banken und ihre Kapitalgeber wären um die akkumulierte Schuldenlast der Euro-Gruppe erleichtert, glei­ches gälte aber auch für die Gläubiger privater Schuldner. Einigermaßen un­beschadet davon kämen die Eigentümer von Immobilien und anderen Wertge­genständen (Edelmetalle, Kunst etc.) sowie die Inhaber von Konten in Dollar, Yen, Pfund oder Schweizer Franken, also die Wenigsten von uns. Das wäre an sich zu verschmerzen, wenn dem nicht entgegenstünde, dass ein genereller Schuldencut von staatlicher Seite faktisch eine Enteignung aller Gläubiger darstellt. Der im Staatspapier verbriefte Schuldentitel erwirkt einen Rechtsan­spruch des Inhabers gegen staatliches Eigentum. Der Gläubiger wird damit Miteigentümer des Staates. Auf jeden Fall hat er einen Rechtsanspruch auf Vollstreckung seiner Forderung bei Nichterfüllung des damit verbundenen Schuldkontrakts. Die ARD-Sendung „Panorama“ hat das vor 5 Jahren mal the­matisiert.2 Ohne Änderung der Rechtslage inkl. Grundgesetz der Bundesrepu­blik Deutschland ginge also gar nichts. Man denke nur an die Querelen bei der Euro-Einführung.
Umverteilung: Das ist wohl das Szenario hinter den Eurobonds. Die Staats­schulden werden auf alle Länder der Euro-Gruppe verteilt. Auf den ersten Blick sieht das gar nicht danach aus, da die Schulden ja von jedem einzelnen Staat getragen werden müssen, doch faktisch haftet jeder der Teilnehmerstaaten als Bürge mit seinem Eigentum für die Schulden jedes anderen. Käme also einer seinem Schuldendienst nicht nach, müssten die anderen seine Zinsen zahlen. Da wahrscheinlich keiner der „Geber“-Staaten dies aus reinem Altruismus tun würde, käme es im Ernstfall zum Szenario Griechenland, das ich in einem vorangegangen Beitrag skizziert hatte. Die Umverteilung der Schulden in die eine Richtung könnte zur Umverteilung des Eigentums in die Gegenrichtung führen. Allerdings würde das die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa durchaus befördern. Nicht so schnell und radikal wie das leider unrealistische Währungsreform-Szenario, aber immerhin. Wenn dann irgendwann alles Deutschland, Frankreich, Österreich (zzgl. Südtirol und Vinschgau), Luxemburg und den Niederlanden gehört, könnte auch unser geliebter Kaiser Barbarossa wieder in Amt und Würden gelangen.
Mein Fazit: Am Besten wäre es wohl, das Kredit- und Schuldensystem kom­plett aufzugeben bzw. abzuschaffen. Der alte Satz der alten Griechen Löscht alle Schulden und verteilt das Land neu!“ wäre zu ergänzen um die Forde­rung: „Und lasst es nie wieder zu Schulden kommen!“ Jesuanisch könnte man auch bitten: „Und erlöse uns von dem Bösen.“ (Auf die Probleme, die sich dar­aus ergäben und Ansätze zu deren Bewältigung werde ich vielleicht ein an­dern Mal eingehen.) Da das aber wohl in diesem System und in diesem Staat nicht geht, bleibt den armen Politikerwürstchen - und uns mit ihnen - wohl nur die erste Variante: Gürtel enger schnallen. Es sei denn, und das ist m. E. nicht ausgeschlossen, die Eurozone wird Schritt für Schritt zu einer Neuauflage des Heiligen Römischen Reiches umgeschuldet, wovor uns Gott bewahren möge.

Mittwoch, 7. Dezember 2011

Commerzbank stockt auf


Vor etwas mehr als einem Monat habe ich mich an dieser Stelle irritiert bis belustigt über die Forderung von EU-Kommissionspräsident Barroso nach Eigenkapitalaufstockung der Banken geäußert. Die Commerzbank zeigt aktuell, wie berechtigt das war. Sie will ihr Eigenkapital um 5 Mrd. € erhöhen. Dafür kauft sie erst einmal eigene Anleihen zu einem Preis unter Nennwert am Kapitalmarkt zurück und verbucht dabei – oh Wunder der Bilanzarithmetik – einen Buchgewinn, den sie als Eigenkapitalzuwachs deklariert. Das geht nach den Regeln der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) aber nur, wenn die Bank den Buchgewinn als Aktien wieder ausgibt. Es soll also genau das passieren, was ich vor einem Monat als Fortsetzung des alten Spiels mit neuen Mitteln bezeichnet habe: Toxische Aktien, statt toxischer Schuldverschreibungen. 


Gleiches Thema, andere Baustelle: Da wundert sich die versammelte Großmedienlandschaft darüber, dass es Probleme beim Verkauf von deutschen Staatsanleihen gibt, und schiebt die Verantwortung dafür auf die Rating Agenturen. Der finanzökonomische Laie stellt sich hingegen die Frage, wer denn die Schuldpapiere für 6 Mrd. € kaufen soll, wenn die Banken zuvörderst ihren eigenen Laden in Ordnung bringen sollen (siehe Commerzbank). Schließlich will der Bund für seine Anleihepapiere keine Bankenschuldverschreibungen oder Versicherungsaktien sondern irgendwann auch Sichtguthaben, also reales Geld zum Ausgeben im Haushalt. Das aber müssen sich die so genannten institutionellen Anleger erst einmal besorgen und zwar bei den Banken, die es wiederum von der EZB gegen Einlage von Wertpapieren bekommen. Wenn die Banken also nix haben und nix verleihen, weil sie zu aller erst selbst Geld benötigen, wenn auch nur Buchgeld, wer soll dann die Bundesanleihen kaufen? Kann man sie doch gleich bei der EZB deponieren und das eingenommene Haushaltsgeld von G&D drucken lassen. Schöne Grüße übrigens auch an Timothy Geithner. 

Freitag, 28. Oktober 2011

Hellas!

Geld ist stets knapp. Geld ist umso teurer, je dringender man es braucht.

Trotz einiger plausibler Theorien von Aristoteles über Marx bis Heinsohn/Steiger weiß bis heute niemand wirklich mit endgültiger Sicherheit wie Geld entsteht. Dafür kann man gerade wunderbar anschaulich erleben, wie es umverteilt wird: Kleinanleger – Bank A/Versicherung B – Staatsanleihe – Abschreibung – neue Anleihe beim EFSF - Bank C/Versicherung D – Großanleger. Und mit etwas Geduld kann man bald live verfolgen, wie einhergehend mit der Umverteilung des knappen Geldes, das Griechenland dringend braucht, der Gegenwert des Geldes in Form von Kapital ebenfalls umverteilt wird. Interessanterweise war es der grüne Europaabgeordnete und Mitbegründer von Attac-Deutschland Sven Giegold, der in einer Deutschlandfunk-Diskussion Klartext redete: Griechenland braucht dringend Investitionen, und wir sollten die Investitionen fördern. Sicher ohne es zu beabsichtigen, hat Giegold damit an die wirtschaftlichen Aspekte der deutschen Wiedervereinigung erinnert.

Damals liefen drei Entwicklungen zeitlich nahezu parallel ab:
1. Einführung einer gemeinsamen Währung;
2. Stimulierung des privaten und öffentlichen Konsums mittels erhöhter Verschuldung der öffentlichen Kassen, besonders der Rentenkasse;
3. Förderung von privatwirtschaftlichen Investitionen mittels künstlicher Unterbewertung des im Beitrittsgebiets vorhandenen und nutzbaren Kapitals (Immobilien, Produktionsanlagen, Arbeitskräfte) durch die Treuhandanstalt.

Griechenland hat die ersten beiden Entwicklungsphasen mit dem Euro bereits absolviert - das Ergebnis ist bekannt. Griechenland ist nun reif für Phase 3.

Griechenland braucht dringend Geld zur Refinanzierung seiner Schulden. Geld wird es nur gegen Sicherheiten geben, sprich Anteile am Steueraufkommen oder mobilen und immobilen Sachwerten. Das ist der andere „Hebel“ des EFSF: Die Geberländer wie Deutschland, Frankreich, Österreich oder Finnland sitzen am längeren Ende des Hebels, mit dem sie für ihre Unternehmen die Bedingungen diktieren können, unter denen diese in Griechenlands Wirtschaft investieren werden. Die EU-Kontrolleure werden permanent in Athen und Umgebung präsent sein und sich gewiss darum kümmern, die Bedingungen günstig zu gestalten (siehe Treuhand). Da man Griechenland nicht in staatliche Abhängigkeit bringen kann und auch nicht will (Wie sähe denn das aus: EU-Protektorat Hellas?), bleibt nur wirtschaftliche Abhängigkeit, die auf lange Sicht eine Refinanzierung der jetzt getätigten Investition verspricht. Das ist der Preis, denn Geld ist umso teurer, je dringender man es braucht.

Freitag, 21. Oktober 2011

EU-Präsident Barroso ruft Banken zur Erhöhung der Eigenkapitalquote auf

EU-Präsident Jose Manuel Barroso rief heute die Banken der Euro-Zone dazu auf, ihre Eigenkapitalquote zu erhöhen. Sie sollten sich dazu private Kapitalgeber suchen oder schlimmstenfalls auf den Eurorettungsschirm EFSF zurückgreifen. Nun bin ich beileibe kein Betriebs- oder Finanzwirtschaftler, aber mir erscheint dieser Vorschlag gelinde gesagt naiv. 

Die Eigenkapitalquote ist der Quotient aus Eigenkapital und Bilanzsumme eines Unternehmens. Eigenkapital wiederum ist der Anteil an der Bilanzsumme, der nach Abzug aller Verbindlichkeiten (Schulden) übrig bleibt. Da Barroso keine Reduzierung der Verbindlichkeiten empfiehlt, was er auch nicht kann, da dies wohl dem Lehmanszenario entspräche, geht er wohl davon aus, dass entweder private Geldgeber liquide Mittel in die Banken stecken oder letztere beim EFSF um Liquidät betteln, die sie dann nicht in ihre Geschäfte stecken, sondern als Barreserve in ihre Bücher schreiben. Als Laie schaue ich mir die beiden Szenarien mal genauer an.

So eine Bankenbilanz ist doch einigermaßen kompliziert, wenn man die Begriffe und Zusammenhänge nicht an der Uni gelernt hat. Aber wozu gibt’s Wikipedia? Eigenkapital setzt sich demnach lt. Handelsgesetzbuch zusammen aus
  • gezeichnetem Kapital, 
  • Kapitalrücklage, 
  • Gewinnrücklagen,
  • Gewinnvortrag/Verlustvortrag, 
  • Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag. 
Erstes Szenario. Barrosos Denken wird sich sicher in europäischen Dimensionen bewegen und nicht in den Niederungen des deutschen Handels- und Steuerrechts, also können wir davon ausgehen, dass er keine Gewinn- oder Verlustvorträge im Visier hat. Da Barroso auch nicht von Reduzierung der Dividendenausschüttung gesprochen hat, die zu einer Erhöhung der Rücklagen genutzt werden könnte, meint er wohl die Erhöhung des Anteils an gezeichnetem Kapital, sprich Aktien. Private Investoren sollen Bankaktien kaufen. Das läuft auf eine Kapitalerhöhung hinaus. Wenn sich sonst nichts tut, steigt damit zwar das Eigenkapital, aber der Wert der Verbindlichkeiten oder der Forderungen bleibt unverändert. Es sei denn, mit dem eingesammelten Geld der Aktionäre werden Geschäfte getätigt (Kredite vergeben, Schuldverschreibungen gekauft etc.. das Übliche also). Das ergibt im gegenwärtigen Zustand des Finanzmarktes aber nur dann einen Sinn, wenn mit dem zusätzlichen Eigenkapital etwaige bzw. abzusehende Bilanzverluste durch Abschreibungen auf faule Schuldverschreibungen abgepuffert werden sollen. Barroso empfiehlt den Banken damit faktisch, das gleiche Geschäft weiter zu betreiben, dass Lehman Bros. in die Pleite getrieben hat. Statt toxischer Schuldverschreibungen sollen nun toxische Aktien verhökert werden. 



 Zweites Szenario. Die Banken besorgen sich Liquidität beim EFSF. Woher hat der EFSF seine Liquidität? Soweit ich das verstanden habe, basiert das Kapital des EFSF auf Krediten, die zu günstigeren Marktkonditionen aufgenommen werden können, als die eigentlichen Kreditnehmer wie Griechenland sie am Finanzmarkt geboten bekämen. Der EFSF ist also ein Broker, der Kredite aufnimmt und weiterverkauft. Im Hinblick auf Staaten als Kreditnehmer erschließt sich das ja noch einigermaßen. Aber Banken? Würden Banken beim EFSF Liquidität zur Aufstockung ihres Eigenkapitals anfordern, liefe das entweder darauf hinaus, dass der EFSF als Broker auch am privaten Finanzmarkt auftritt, aber das würde ja gar keine Eigenkapitalerhöhung bewirken, sondern nur die Verbindlichkeiten der bettelnden Banken erhöhen, oder sich mit seinem geborgten Geld an den Banken als Aktionär beteiligt, oder aber sein geborgtes Geld einfach an die Banken verschenkt, um deren Reserve aufzustocken (siehe oben).




 Oijoijoi, Jose Manuel.

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Melancholia von Lars von Trier

Sein Name fällt an keiner Stelle des Films, und doch ist Gott in Melancholia allgegenwärtig. Dabei braucht Lars von Trier bei seinem Weltuntergangsszenario der Kollision zweier Planeten den Allmächtigen nicht einmal als Wortbrüchigen zu desavouieren. Denn Gott kündigt den nach der Sintflut mit Noah geschlossenen Bund nicht auf, er ändert nur die Geschäftsgrundlage: „Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ heißt es in Genesis 8, 21-22. Solange die Erde steht… Doch die Erde steht nicht still. Sie bewegt sich auf einer annähernd elliptischen Bahn um die Sonne. Und der Planet Melancholia bewegt sich ebenfalls, wobei seine Bahn viel weniger vorhersagbar ist, als die der Erde. Das liegt zum einen daran, dass das Dreikörperproblem der Himmelmechanik (hier Erde, Mond und Melancholia bzw. Erde, Melancholia und Sonne) i.A. nicht exakt sondern nur näherungsweise gelöst werden kann, worauf im Film mehrfach dezent hingewiesen wird. Zum anderen ist unser veraltetes Weltbild Schuld an der Fehleinschätzung:  Auf der Suche nach Informationen über das befürchtete Kollisionsszenario stößt Claire im Internet auf eine Abbildung, in der die Bahn von Melancholia an die Epizyklen im geozentrischen Planetenmodell des Ptolemaios erinnert. Ironischerweise beschreibt die Bahn von Melancholia gegenüber der Erde wirklich einen solchen Kringel, was die diesseitigen Optimisten und Pragmatiker wie Claire eine Zeit lang hoffen lässt, man sei an der Katastrophe vorbei geschrammt. Justine, die längst Entrückte, sich schon im Jenseits aufhaltende Heilige, weiß es besser.  Der Zusammenprall ist dann auch nicht der hollywood-übliche Deep Impact eines kleineren Himmelskörpers mit der Erde. Gleich zu Beginn des Films, am Ende der sprachlosen Einführungssequenz zeigt uns Lars von Trier, dass es die Erde ist, die in den weit größeren Planeten Melancholia einschlägt. Die Erde ist der böse Komet, sie trägt den Tod nach Melancholia und zerstört sich dabei selbst. Zieht man die wunderbaren Traum- und Erinnerungssequenzen aus Justines letzten Momenten zu Beginn des Films und die selbstvergessen nackt hingestreckte Kirsten Dunst in seinem zweiten Teil ab, bleibt recht konventioneller dramatischer Kitsch, überladen mit psychologischer, philosophischer, soziologischer, politischer und religiöser Metaphorik, die z.T. auch vor dem Holzhammer (Totentanz) nicht zurück schreckt. 21/2 Stunden Film für die einfache Botschaft, dass Gottes Experiment Leben auf Erden gehörig misslungen ist.

Der Krieg des Partisanen

Der Krieg der absoluten Feindschaft kennt keine Hegung. Der folgerichtige Vollzug einer absoluten Feindschaft gibt ihm seinen Sinn und seine...