angesichts
der Krim-Krise
Große Kriege seit dem Zweiten Weltkrieg (mit Opferzahl)
Diese
Liste enthält die zivilen Toten durch Infektionskrankheiten,
Hungersnöte,
Kriegsverbrechen,
Völkermord
usw.
sowie die in Schlachten
getöteten
Soldaten, also die gesamte Anzahl der Kriegsopfer.
55.000.000–60.000.000: Zweiter
Weltkrieg (1939–1945)
20.000.000: Zweiter
Japanisch-Chinesischer Krieg (1937–1945)
3.800.000–5.400.000: Zweiter
Kongokrieg (1998–2003)
2.500.000–3.500.000: Koreakrieg (1950–1953)
2.300.000–3.800.000: Vietnamkrieg (gesamt
1955–1975)
300.000–3.000.000: Bangladesch-Krieg (1971)
1.500.000–2.000.000: Afghanischer
Bürgerkrieg und sowjetische Intervention (1979–1989)
1.300.000–6.100.000: Chinesischer
Bürgerkrieg (1928–1949)
1.000.000: Erster
Golfkrieg,
Iran-Irak (1980–1988)
1.000.000: Zweiter
Sudanesischer Bürgerkrieg (1983–2005)
1.000.000: Biafra-Krieg,
Nigeria (1967–1970)
900.000–1.000.000: Mosambiks
Bürgerkrieg (1976–1993)
800.000–1.000.000: Bürgerkrieg
in Ruanda (1990–1994)
800.000: Bürgerkrieg
der Republik Kongo (1991–1997)
570.000: Eritreas
Unabhängigkeitskrieg (1961–1991)
550.000: Somalischer
Bürgerkrieg (seit
1988)
500.000: Bürgerkrieg
in Angola (1975–2002)
500.000: Bürgerkrieg
in Uganda (1979–1986)
200.000-240.000: Jugoslawienkrieg (1991-1999)
393.000–942.000: Irakkrieg (2003-2011)
Es
sind weltweit mindestens 25 Millionen Menschen nach Ende des Zweiten
Weltkrieges durch Kriege gestorben. Im 20. Jahrhundert starben
circa 100–185 Millionen
Menschen durch Kriege.
***
Mit
der zeitlichen Entfernung vom Krieg sinkt für die Menschen wohl der
Wert des Friedens. Es ist gleichsam wie das Abflauen des
Verliebtseins nach zwei, drei Jahren – am Beginn war alles eine
große Euphorie: Endlich Frieden! Doch nach Jahren des ruhigen
Zusammenlebens verblasst die Erinnerung und Unruhe macht sich breit:
Sehnsucht nach Veränderung kommt auf. Und der Mensch geht wieder ins
Risiko, wohl ahnend, was ihm schlimmstenfalls widerfahren könnte,
und doch tut er es. Er geht wieder auf die Jagd. Und damit in die
Unfreiheit, denn Frieden schafft die Möglichkeit von
Freiheit, Krieg hingegen das Gegenteil.
Die einzige
Freiheit, die der Krieg zu bieten hat, ist die Freiheit zum Töten.
Was
mich wirklich stört und in gewisser Weise zugleich zornig und traurig macht, ist die allgemein verbreitete
Geschichtsvergessenheit, ja Geschichtsignoranz eines großen Teils
unserer politischen Klasse, die spätestens mit dem Gespann
Schröder/Fischer erst salonfähig, dann Mainstream wurde und nun mit
den hysterischen Äußerungen des Unheilsgeschwaders Merkel/Steinmeier/Gauck/von der Leyen ihren vorläufigen Höhepunkt
erreicht hat. Ich meine damit die Unfähigkeit oder Unwilligkeit,
sich und das eigene politische Handeln auch aus der Perspektive des
oder der Anderen zu sehen und zu bewerten. Und die Anderen sind die,
deren Länder einst besetzt waren und auf deren Boden im Namen des
deutschen Volkes die wohl schwersten systematischen Verbrechen
der Menschheitsgeschichte begangen wurden.
Es mag an meiner ganz persönlichen Lebensgeschichte und auch
der meiner Familie liegen, dass ich in diesen Angelegenheiten wohl besonders
sensibel bin.
Dieses
Bild stammt vom Google-Service Street View. Es zeigt das
Blockadedenkmal in St. Petersburg, das die Form eines stilisierten,
aufgebrochenen Ringes hat und damit, sowie mit einem unterirdisch
eingelassenen Museum an die fast 900 Tage und Nächte dauernde und
über eine Millionen Menschenleben kostende Blockade der Stadt durch
die Wehrmacht zwischen September 1941 und Januar 1944 erinnert.
Acht
Jahre lang habe ich in dieser Stadt, die damals noch Leningrad hieß,
gelebt. Eher ungewollt und zufällig ging ich am Nachmittag meines
19. Geburtstages zum Blockadedenkmal und verbrachte dort fast zwei Stunden damit, über Geschichte,
Gegenwart und Zukunft nachzudenken. In den folgenden Jahren wurde der Besuch des Blockadedenkmals am Geburtstag wie auch das
sinnierende Verweilen dort zu einem persönlichen Ritual, das
neben der von sowjetischen Kommilitonen und anderen Gesprächspartnern erzwungenen
Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte entscheidend dazu
beitragen sollte, mich selbst als Deutschen auch in der
Mitverantwortung für die jüngere deutsche Geschichte zu sehen. Das
mag etwas pathetisch klingen, entspricht aber den Tatsachen.
Mein
Großvater war NSDAP-Funktionär und, wie seine Hinterlassenschaft
aus dem Ersten Weltkrieg zeigt, ein strammer Nationalkonservativer,
einer, auch an dessen Wesen wohl die Welt genesen sollte. Er beendete sein
Leben im Herbst 1945 in einem sowjetischen Straflager an der Elbe.
Ich
halte nichts von der so genannten Kollektivschuld, die wir ewig mit
uns herum zu schleppen hätten. Ich glaube aber, dass es kollektive
Dispositionen und Intentionen geben kann, und dass solche tief in der
Sozialpsychologie einer Nation angelegt sein können. Bei uns
Deutschen zählen m.E. dazu: Rechthaberei, Besserwisserei,
Verdrängung und Hochmut. Und solche Dispositionen und
Intentionen können zu kollektiver Irrationalität und
präanimalischem Verhalten führen, wie man in Elias Canettis „Masse
und Macht“1
vortrefflich nachlesen kann. Dies eben ist meine Befürchtung, dass
unsere Geschichtsvergessenheit im Verbund mit Wirtschaftsmacht,
Medienhysterie und Hochmut uns wieder in die kollektive Irrationalität
treiben könnte.
1 Elias
Canetti. Masse und Macht. Fischer TB, 2011