Donnerstag, 11. Oktober 2012

Unter uns?

In der altägyptischen Religion mussten die Götter durch immer wieder kehrende, zyklische Rituale nicht nur gnädig gestimmt, sondern geradezu dazu bewegt werden, da zu bleiben.[1] Man befürchtete, bei Vernachlässigung der Rituale könnten die Götter die Welt der Menschen verlassen. Dieser Glaube ging so weit, dass die ägyptischen Priester meinten, mit ihren Verrichtungen den Tag-Nacht-Zyklus in Gang zu halten.
Mit dem Monotheismus des abrahamitischen und später des mosaischen Bundes stellte sich der Mensch außerhalb der Natur und gewissermaßen auch außerhalb seiner eigenen Natur. Im Bund hat sich Gott dazu verpflichtet immer da zu sein. Ohne Wenn und Aber hat er sich an Abraham und damit an die Menschheit gebunden. Gott kümmert sich - mal strafend, mal verzeihend, mal belohnend, aber er verschwindet nicht. Egal was der Mensch tut, Gott ist immer da. Er kann aber nur da bleiben, weil er sich unabhängig gemacht, sich externalisiert hat. Auch wenn manch alttestamentarischer Prophet oder Psalmverfasser seine Gottverlassenheit beklagen mochte, war er doch überzeugt, dass Gott die Klage hört, also nicht wirklich verschwunden sein konnte. Im Bund hat sich Gott verpflichtet, da zu sein und da zu bleiben, sich nicht zurück zu ziehen und uns zu ertragen, wie wir ihn ertragen.
In der Gestalt Jesu kommt Gott zu uns. Er will die Menschen nicht länger von oben herab behandeln wie ein paternalistischer Hausvorstand seine Kinder, sondern will sie zu sich hinauf ziehen. Deshalb muss Jesus beides sein – Mensch und Gott. Für einen historischen Moment ist Gott mehr als nur da, er wirkt direkt unter den Menschen. Bei Paulus jedoch wird Gott wieder externalisiert. Nach seinem Gang durchs Kreuz wähnen wir ihn zwar wieder unter uns, doch sind nun wir nicht mehr bei ihm. Und nur wegen dieser Externalisierung konnte Nietzsche Gott für tot erklären.
So lange Gott externalisiert ist, bleibt auch die Schöpfung externalisiert. So lange bleibt die Natur uns fremd, und auch wir selbst bleiben uns fremd.  Uns wieder in die volle Verantwortung für die Dinge da draußen zu setzen, das könnte, vielleicht eher als der strenge Gott-Mensch-Dualismus, eine Grundhaltung, wie sie die alten Ägypter hatten. Also das Bewusstsein dafür und der Glaube daran, dass der Mensch mit seinem Tun den Weltenlauf in Gang hält und dafür sorgt, dass die Götter nicht verschwinden. Vielleicht gediehe der ökologische Gedanke ja besser auf dem Boden eines archaischen Poly- oder Pantheismus? Denn wo bliebe Gott, wenn wir uns und die Welt zerstört hätten?




[1] Jan Assmann. Ägypten: Eine Sinngeschichte. Fischer 2005

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