Mittwoch, 19. Oktober 2011

Melancholia von Lars von Trier

Sein Name fällt an keiner Stelle des Films, und doch ist Gott in Melancholia allgegenwärtig. Dabei braucht Lars von Trier bei seinem Weltuntergangsszenario der Kollision zweier Planeten den Allmächtigen nicht einmal als Wortbrüchigen zu desavouieren. Denn Gott kündigt den nach der Sintflut mit Noah geschlossenen Bund nicht auf, er ändert nur die Geschäftsgrundlage: „Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ heißt es in Genesis 8, 21-22. Solange die Erde steht… Doch die Erde steht nicht still. Sie bewegt sich auf einer annähernd elliptischen Bahn um die Sonne. Und der Planet Melancholia bewegt sich ebenfalls, wobei seine Bahn viel weniger vorhersagbar ist, als die der Erde. Das liegt zum einen daran, dass das Dreikörperproblem der Himmelmechanik (hier Erde, Mond und Melancholia bzw. Erde, Melancholia und Sonne) i.A. nicht exakt sondern nur näherungsweise gelöst werden kann, worauf im Film mehrfach dezent hingewiesen wird. Zum anderen ist unser veraltetes Weltbild Schuld an der Fehleinschätzung:  Auf der Suche nach Informationen über das befürchtete Kollisionsszenario stößt Claire im Internet auf eine Abbildung, in der die Bahn von Melancholia an die Epizyklen im geozentrischen Planetenmodell des Ptolemaios erinnert. Ironischerweise beschreibt die Bahn von Melancholia gegenüber der Erde wirklich einen solchen Kringel, was die diesseitigen Optimisten und Pragmatiker wie Claire eine Zeit lang hoffen lässt, man sei an der Katastrophe vorbei geschrammt. Justine, die längst Entrückte, sich schon im Jenseits aufhaltende Heilige, weiß es besser.  Der Zusammenprall ist dann auch nicht der hollywood-übliche Deep Impact eines kleineren Himmelskörpers mit der Erde. Gleich zu Beginn des Films, am Ende der sprachlosen Einführungssequenz zeigt uns Lars von Trier, dass es die Erde ist, die in den weit größeren Planeten Melancholia einschlägt. Die Erde ist der böse Komet, sie trägt den Tod nach Melancholia und zerstört sich dabei selbst. Zieht man die wunderbaren Traum- und Erinnerungssequenzen aus Justines letzten Momenten zu Beginn des Films und die selbstvergessen nackt hingestreckte Kirsten Dunst in seinem zweiten Teil ab, bleibt recht konventioneller dramatischer Kitsch, überladen mit psychologischer, philosophischer, soziologischer, politischer und religiöser Metaphorik, die z.T. auch vor dem Holzhammer (Totentanz) nicht zurück schreckt. 21/2 Stunden Film für die einfache Botschaft, dass Gottes Experiment Leben auf Erden gehörig misslungen ist.

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