Samstagabend.
Prime time. Die Tagesschau meldet: „Der US-Spionagedienstleister CSC
arbeitet seit Jahren in sensiblen Bereichen für die Bundesregierung. Das haben Recherchen
von NDR und Süddeutscher
Zeitung ergeben. Aufträge im Wert von fast 300 Millionen Euro haben
Bundesministerien seit 1990 an Tochterfirmen der Computer Sciences Corporation
vergeben.“ Oha, denke ich, jetzt haben die Medien also CSC am Haken. Kurzes
Telefonat mit einem Kollegen, was das wohl für Konsequenzen haben könnte. Heute
dann: Die Nachricht wird medial weiter verbreitet und, wie es typisch ist für
die Medienlandschaft unserer „Erregungsgesellschaft“ (Sloterdijk) weiter
aufgebläht. Doch es lohnt sich, einfach mal nüchtern auf die Sachverhalte zu
schauen.
CSC – Computer Science
Corporation – firmiert in Deutschland erst seit 2006 unter diesem Namen,
davor hieß das Unternehmen CSC Ploenzke AG, und davor gab es die Ploenzke
AG und davor das 1969 von Klaus
Christian Plönzke gegründete EDV Studio Ploenzke. Plönzke, der alte
Plönzke, wie man später zu sagen pflegte, war eine Größe in der deutschen und
europäischen IT-Berater- und Dienstleisterbranche. Sein Unternehmen verkaufte er zwischen 1995 und 1999
sukzessive an CSC. Die nun von NDR und Süddeutscher Zeitung sensationell
recherchierte häufige und umfangreiche Auftragsvergabe des bundesdeutschen
Staates an CSC bzw. CSC Ploenzke bzw. Ploenzke (denn es geht ja um den Zeitraum
seit 1990) rührt eben her aus dieser Geschichte. Wer aber wie NDR und
Süddeutsche jetzt so tut, als habe er da etwas furchtbar Vertrauliches
recherchiert, und diese Fakten dabei nicht erwähnt, hat entweder schlampig
recherchiert oder von der Materie, sprich IT-Branche in Deutschland, überhaupt
keine Ahnung, oder aber er handelt mit Vorsatz, um ein erfahrenes und durchaus
geachtetes Unternehmen in den medialen Dreck zu ziehen. Dass der Bund
Rahmenverträge mit CSC hat, liegt dank europäischem Vergaberecht völlig offen,
dazu braucht es keine Recherchen. Dass CSC, die amerikanische CSC, aus dem
militärisch-industriellen Komplex stammt und seit Unternehmensgründung 1959 eng
mit ihm und mit den US-Behörden verflochten ist, ist erst recht kein
Geheimnis.
Und was soll eine solche
Kampagne überhaupt? Wollen NDR oder SZ jetzt sämtliche, in Deutschland und Europa
agierenden US-Unternehmen auf ihre Nähe zu NSA, CIA usf. durchleuchten? Dann
können wir ja als Hilfestellung gleich mal eine kurze Liste aufmachen, welche
Rechercheziele denn so in Frage kämen:
IBM:
Liefert vielleicht Computer, denn auf irgendwelchen Rechnern muss die
XKeyscore- und sonstige NSA-Software ja laufen; außerdem hat IBM eine
Beratungs- und Dienstleistungstochter namens PricewaterhouseCoopers (PWC) und
wer weiß...
HP:
Liefert vielleicht ebenso wie IBM Computer und hat eine Beratungs- und
Dienstleistungstochter, die bis 2008 ein
selbständiges Unternehmen namens Electronic Data Systems (EDS) war. EDS wiederum
hat eine ähnliche Geschichte wie CSC, ist allerdings mehr im Automobilbauumfeld
aktiv (Achtung! Technologiespionage!), war aber auch schon beim Bund unter Vertrag.
Dell:
Liefert vielleicht ebenso Computer und zwar, wie wir spätestens seit der
US-Serie 24 wissen, für den Anti-Terror-Kampf und wer weiß...
Cisco:
Ist weltmarktführender Netzwerkausrüster u. a. auch für die Internet-
und Telekommunikationsdienstleister,
irgendwo muss die NSA die Daten schließlich abgezapft haben. Wie Dell ist auch
Cisco in den Anti-Terror-Kampf involviert – Cisco-Technologie schützt bspw.
aktiv das Netzwerk der CTU in 24. Eine Alternative zu Cisco wäre
übrigens Huawei, ein Chinesisches Unternehmen, das durch den Diebstahl
von Cisco-Technologie groß geworden ist.
Microsoft:
Über die braucht man nicht viel zu sagen. Allerdings wäre daran zu erinnern,
dass praktisch alle PCs des deutschen Staates mit Betriebssystemen,
Office-Software und Mail-Clients aus dem Hause Balmer/Gates laufen, und wer
weiß...
Oracle:
Ähnlicher Marktführer wie Microsoft, nur mit Datenbanken, die z. B. bei
der Polizei und ganz bestimmt auch bei
den deutschen Geheimdiensten im Einsatz sind.
Soweit die offensichtliche
Liste, die man mit Leichtigkeit in diesem Stil fortsetzen könnte. Vielleicht aber sollten die Rechercheure von NDR und SZ auch in eine ganz andere Richtung
graben? Hier ein Vorschlag von mir:
General
Electric: GE hat eine deutsche Tochter namens GE Wind Energy,
die (auffallende Parallele zu CSC!) u. a. aus der einheimischen Firma Tacke Windtechnik
hervorgegangen ist. GE Wind Energy baut Windkraftanlagen, und was wäre wohl
geeigneter, Horchequipment aufzunehmen, als ein 140 m hohes Windrad auf dem
Vogelsberg in Hessen? Und GE baut Triebwerke für Flugzeuge, mit denen man
Luftspionage betreiben oder auch Terrorverdächtige durch deutschen Luftraum
transportieren könnte.
Aber lassen wir den Quatsch.
Was NDR und Süddeutsche da betreiben, ist m. E. grober Unfug. So lange sich
dabei nicht heraus stellt, dass CSC in Deutschland wissentlich Spionage für die
NSA betrieben hat, gibt es keinen Grund für eine mediale Skandalisierung dieses Ausmaßes.
Vielmehr, und das wäre in der Tat ein Ernst gemeinter Hinweis, sollte man sich ein mal damit beschäftigen, welche Konsequenzen es haben könnte, wenn einer der engsten Vertrauten der NSA, der Telefonriese AT&T, wie geplant die britische Vodafone und damit auch den zweitgrößten Mobilfunk- und Kabelnetzprovider Deutschlands übernehmen würde.