Mittwoch, 1. Januar 2020

Personen, Rollen, Bedeutungen

Über geschlechtergerechte Sprache

Der Mensch ist im wesentlichen jenes Tier, das Rollen übernimmt.
Charles W. Morris

Gemäß einer verbreiteten Ansicht beschäftigt sich die Philosophie nicht mit der wirklichen Welt – diese ist Gegenstand der Fachwissenschaften, sondern mit unserem Sprechen über die wirkliche Welt. War die Philosophie im objektiv-idealistischen System Hegels noch die „Arbeit des Begriffs“, so muss nach dem linguistic turn in der Nachfolge von Wittgensteins Tractatus wohl konstatiert werden, dass zeitgenössische Philosophie vielmehr Arbeit am Begriff (engl. concept) ist. Begriffe werden dabei verstanden als sprachliche Entitäten, die Teil von Propositionen sind, also von Sätzen, denen ein Wahrheitswert zugewiesen werden kann. Begriffe haben eine Bedeutung. Einem jüngeren Konzept zufolge erschließt sich die Bedeutung eines Begriffes aus den Regeln seiner korrekten Verwendung.1 In der Philosophie der normalen Sprache (engl. ordinary language philosophy) steht hierfür Wittgensteins paradigmatischer Satz: „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“
Ich befasse mich im Folgenden mit der geschlechtergerechten Sprache und werde meine Ausführungen von dem philosophischen Standpunkt aus führen, den ich gerade zu skizzieren versucht habe. Unter geschlechtergerechter Sprache (im Folgenden kurz Gendersprache) wird dabei ausdrücklich nicht die gleichberechtigte Verwendung von weiblicher und männlicher Wortform in mündlicher und schriftlicher Rede verstanden, wie etwa in „Bürgerinnen und Bürger“ oder „Freundinnen und Freunde“, sondern der generelle Verzicht auf das generische Maskulinum und dessen Ersatz durch Zeichenkonstrukte wie großes Binnen-I, Gendersternchen u.ä., sowie die geschlechtsneutrale Verwendung eines substantivierten Partizips I, wie etwa bei „Mitarbeitende“. Es geht mir dabei nicht um die realen Geschlechterverhältnisse, auch nicht um Feminismus oder Genderstudies; dazu habe ich nichts zu sagen. Mir geht es ausschließlich um das Sprechen über Personen, denn deren Anerkennung und politisch korrekter Behandlung in der Sprache soll ja die Verwendung der Gendersprache dienen.
Mir scheint, dass der z. T. recht aufgeregt geführte Diskurs über geschlechtergerechte Sprache vor dem Hintergrund zweier grundsätzlicher Denkfehler der Gendersprachaktivisten zu sehen ist. Denkfehler Nr. 1 ist ein Kategorienfehler, bestehend in der Verwechselung von Rolle und Person. Denkfehler Nr. 2 ist die Annahme, Sprache bestimme das Denken. Fehler Nr. 2 beruht auf einem einseitigen, mechanistischen Verständnis dessen, wie das menschliche Denken funktioniert und in welchem Verhältnis es zur Sprache steht, Fehler Nr. 1 hingegen darauf, dass der Sprachdiskurs nur allzu häufig auf einer personalen Ebene geführt wird, wo es doch in Wirklichkeit um soziale Rollen geht. Beide Fehler sind allerdings typisch für ein postmodernes Denken, bei dem „Unterschiede zwischen Rolle und Person verdampfen und semantisch die Kämpfe um Bedeutung und Macht anheben.“ (Armin Nassehi)
Im Folgenden werde ich zu begründen versuchen, dass es sich um wirkliche Fehler handelt.

Zum Verhältnis von Rolle und Person

Wenn ich von Person spreche, dann in einem durchaus landläufigen Sinn. Gemeint ist ein menschliches Individuum, das eine Reihe physischer, psychischer und sozialer Eigenschaften (Attribute) aufweist, mittels derer es von anderen Menschen (oder neuerdings auch von Maschinen) unterschieden und als genau diese konkrete Person identifiziert werden kann. Zu diesen Attributen gehören die spezifische Körperlichkeit, individuelle charakterliche Züge, die personale Identität im Sinne einer erkennbaren, zeitlichen Kontinuität der identifizierenden Attribute wie bspw. das episodische Gedächtnis oder der Name, aber auch die Gesamtheit der sozialen Beziehungen, in die das Individuum eingewoben ist und die zur individuellen Ausprägung der personalen Attribute beitragen. Eine Person nimmt verschiedene soziale Rollen ein, so z. B. einen Beruf, ein Amt (z. B. als Beamter, Richter), eine Herkunft (z. B. Volksgruppenzugehörigkeit, Ethnie).
Soziale Rollen sind offensichtlich nichts physisch Existierendes. Sie sind keine rohen Tatsachen, sondern vielmehr institutionelle Tatsachen. Der US-amerikanische Philosoph John R. Searle hat die Unterscheidung zwischen rohen und institutionellen Tatsachen eingeführt, um damit „die Beziehungen zwischen denjenigen Eigenschaften der Welt, die Sache der rohen Physik und Biologie sind, einerseits, und denjenigen Eigenschaften der Welt, die Sache der Kultur und Gesellschaft sind“, zu untersuchen. „Rohe Tatsachen“, schreibt er, “existieren unabhängig von allen menschlichen Institutionen; institutionelle Tatsachen können nur innerhalb von menschlichen Institutionen existieren.“2 Rollen als institutionelle Tatsachen sind Teil unseres Sprechens über die soziale Realität.
Die institutionelle Tatsache, dass Donald Trump gerade Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika (POTUS) ist, bedeutet nichts anderes, als dass die Person Donald Trump aktuell die Rolle des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika einnimmt. Nicht nur das: Das Amt POTUS ist selbst eine institutionelle Tatsache. Es wurde von Menschen geschaffen, den amerikanischen Verfassungsvätern, und existiert nur, weil es in der Verfassung der USA festgeschrieben ist und die Mehrheit der US-amerikanischen Staatsbürger die Verfassung anerkennt. Die institutionelle Tatsache POTUS existiert auch, ohne dass eine konkrete Person dieses Amt besetzt. Es genügt , dass die Mehrheit der US-amerikanischen Staatsbürger davon überzeugt ist, dass das Amt von einer Person und nur von einer Person besetzt werden sollte.
Es bedarf keiner weiteren Erklärung zu erkennen, dass rohe und institutionelle Tatsachen zwei disjunkte Kategorien darstellen. Werden beim Sprechen diese beiden disjunkten Kategorien verwechselt, liegt ein Kategorienfehler vor. Der Begriff des Kategorienfehlers stammt vom britischen Philosophen Gilbert Ryle. Ein Kategorienfehler wird von einem Sprecher begangen, wenn er einen sprachlichen Ausdruck auf eine Weise verwendet, die nicht dem logischen Typ des Ausdrucks entspricht. Der logische Typ eines Ausdrucks ist die Klasse seiner logisch richtigen Verwendungsweisen. Zwei Ausdrücke A und B sind vom gleichen logischen Typ, wenn ein Satz der Form „x ist ein P“ bei Einsetzung von A für x und B für x gleichermaßen wahr ist. Der Kategorienfehler der Gendersprachaktivisten besteht nun gerade darin zu behaupten, dass im Fall einer Rollenzuschreibung P die Wahrheit des Satzes „x ist ein P“ davon abhängig ist, ob an die Stelle von x eine männliche oder eine weibliche Person gesetzt wird, das heißt, nach dieser Ansicht sind die Ausdrücke „weibliche Person“ und „männliche Person“ nicht vom gleichen logischen Typ. Der Satz „Frau Müller ist Professor für Philosophie.“ hätte demnach eine anderen Wahrheitswert als der Satz „Herr Meier ist Professor für Philosophie.“ Der Satz „Herr Meier ist Professor für Philosophie.“ ist offensichtlich dann wahr, wenn Herr Meier eine Professur für Philosophie inne hat. Der Satz „Frau Müller ist Professor für Philosophie.“ wäre hingegen falsch, selbst wenn Frau Müller wirklich eine Professur für Philosophie inne hätte, also Professorin ist. Und das ist natürlich Unsinn.
Laut John Searle ist die Sprache selbst eine institutionelle Tatsache und zwar diejenige, die allen anderen institutionellen Tatsachen voraus geht, ihnen zu Grunde liegt. Nur vermittels der Sprache können institutionelle Tatsachen überhaupt geschaffen werden, existieren und auch wieder verschwinden. Der Begriff Gender stammt aus der englischen Sprache, die damit, anders als die deutsche, den Unterschied zwischen biologischem Geschlecht und sozialem Geschlecht markiert. In der eingeführten Terminologie ist das biologische Geschlecht einer Person eine rohe Tatsache, das soziale Geschlecht hingegen eine institutionelle. Letzteres entspricht einer spezifischen Rolle, die die Person einnehmen kann, die in modernen, aufgeklärten Gesellschaften jedoch nicht eindeutig festgelegt sein muss. In der Sprache, zumal der deutschen, kommt das grammatikalische Geschlecht (Genus) ins Spiel, das als Element der Sprache ebenfalls eine institutionelle Tatsache darstellt. Genus und Gender haben den gleichen Wortstamm, und aus der Etymologie ist bekannt, dass der Begriff des Geschlechts im genealogischen Sinne, also als Bezeichnung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie, historisch noch vor dem Begriff des Geschlechts in seiner grammatikalischen Bedeutung entstanden ist.
Im Zentrum des Diskurses um die geschlechtergerechte Sprache steht das Verhältnis von und die Wechselwirkung zwischen den drei Kategorien biologisches Geschlecht, grammatikalisches Geschlecht und soziales Geschlecht. Der benannte Kategorienfehler rührt daher, dass in diesem Diskurs wild zwischen diesen drei sehr unterschiedlichen Kategorien hin und her gesprungen wird, und das übrigens nicht nur von den Gendersprachaktivisten. Bewusst oder unbewusst wird mit der Mehrdeutigkeit des Begriffs Geschlecht hantiert. Wie eingangs angemerkt, ist ein Begriff jedoch mehr als bloß ein Wort, er umfasst auch die Regeln seiner korrekten Verwendung. Werden die Regeln der korrekten Verwendung missachtet, kommt es zu Fehldeutungen, Missverständnissen und letztlich inhaltslosen Kontroversen.

Zum Verhältnis von Denken und Sprache

Im Roman 1984 beschreibt George Orwell, wie in einem totalitären Überwachungsstaat vom herrschenden System eine künstliche Sprache, das Neusprech, vorgeschrieben wird. Der Wortschatz soll so reduziert werden, dass ein differenziertes Denken unmöglich wird. „Sprache formt das Denken.“, lautet die zu Grunde liegende These, die zurückgeht auf die Sprachtheorie von Sapir und Whorf. Diese besagt, dass die Sprache unser Denken dadurch bestimmt, dass sie Kategorien für die Art und Weise, wie wir die Welt sehen, also Weltsichten, vorgibt.3
Nach meinem Verständnis kann die These der Gendersprachaktivisten folgendermaßen formuliert werden:
Das grammatikalische Geschlecht (Genus) des Wortes, mit dem eine soziale Rolle bezeichnet wird, determiniert das soziale Geschlecht (Gender) der potenziellen Rolleninhaber und damit auch das biologische Geschlecht (Sexus) der Personen, die als potenzielle Rolleninhaber in Betracht kommen.
Die Amtsbezeichnung „der Präsident“ im generischen Maskulinum (Genus) bestimmt demnach das soziale Geschlecht „männlich“ (Gender), wonach eben nur Personen männlichen Geschlechts (Sexus) dieses Amt besetzen können. Gemeint ist damit natürlich kein strenger Determinismus im Sinne einer Ursache-Wirkung-Kausalität, sondern eine bestimmte Erwartungshaltung der Sprecher, die darin zum Ausdruck kommt, dass das Amt „Präsident“ von vornherein als mit einer männlichen Person zu besetzen assoziiert wird. Einem solchen Assoziationsautomatismus soll mit der Verwendung des Gendersternchens oder des substantivierten Partizips I vorgebeugt werden. Ungeachtet des damit verbundenen Kategorienfehlers, der oben in Rede stand, ist kritisch nachzufragen, ob es zum einen eine solche Determiniertheit unseres Denkens durch Sprache wirklich gibt und ob zum anderen eine Änderung unseres Sprechens über Rollen und Personen zu einer Änderung unseres Denkens über institutionelle Tatsachen führen kann.
Linguistik, Kognitionswissenschaften und Sprachphilosophie sind sich inzwischen weitgehend darüber einig, dass weder das Denken die Sprache determiniert, noch umgekehrt die Sprache das Denken, vielmehr handelt es sich um eine komplexe Wechselbeziehung beider. Unser Denken findet seinen Ausdruck in sprachlichem und nichtsprachlichem Handeln, und nur der bewusste Teil unseres Denkens findet selbst in Sprache statt. Insofern ist die Sprache zwar ein Werkzeug unseres Denkens und schränkt unsere Artikulationsmöglichkeiten auf die je verfügbaren sprachlichen Mittel (Wortschatz, Grammatik, Logik etc.) ein, sie legt aber nicht fest, was und wie wir denken. Andernfalls wären kognitive Leistungen wie Ideen, Träume, Phantasien (i. Ü. auch Mehrsprachigkeit) nicht erklärbar. Nicht erklärbar wäre mithin, wie das Neue in die Welt kommt, erst recht nicht, wie neue Wörter und Begriffe entstehen. Wer jemals ernsthaft Kunst oder Wissenschaft betrieben hat, wird bestätigen können, dass es ein unbewusstes, nicht sprachgebundenes Denken ebenso gibt wie ein unbewusstes, nicht sprachgebundenes Handeln. Neue Gedanken, Ideen, Assoziationen tauchen scheinbar aus dem Nichts auf aus dem unbewussten Teil unserer Psyche und müssen, um sie anderen verständlich zu machen, häufig erst mühsam in Worte gefasst werden. In der Kunst (ausgenommen die Literatur) gelingt das so gut wie nie, in der Wissenschaft ist dazu ein z. T. enormer Übersetzungsaufwand erforderlich. Exemplarisch sei auf den physikalischen Begriff Quark verwiesen. Unter einem Quark wird in der Quantentheorie ein Elementarteilchen verstanden, aus dem die Bausteine des Atomkerns, die Protonen und Neutronen, zusammengesetzt sind. Vereinfacht gesprochen bestehen Proton und Neutron aus je drei Quarks. Der Begriff Quark wurde vom US-amerikanischen Physiker Murray Gell-Mann Anfang der 1960er Jahre aufgrund einer theoretischen Notwendigkeit eingeführt. Gell-Mann entnahm das deutsche Wort Quark dem Roman Finnegans Wake von James Joyce, der es seinerseits während einer Deutschlandreise aufgeschnappt hatte. Was ist damit gesagt? Gell-Mann war in seiner theoretischen Forschung zu der Einsicht gelangt, dass sich bestimmte Eigenschaften der seinerzeit bekannten Elementarteilchen nur befriedigend erklären lassen, wenn man postuliert, dass sie aus noch „elementareren“ Teilchen zusammengesetzt sind. Es fehlte jedoch ein Wort, um diese Teilchen zu bezeichnen. Die Idee war vorhanden, sie konnte allerdings nicht sprachlich ausgedrückt werden. Dass Gell-Mann sich gerade bei James Joyce bediente, braucht hier nicht thematisiert zu werden. Entscheidend ist lediglich, dass er ein Wort fand, dass im Englischen bis dahin mit keinerlei Bedeutung aufgeladen war, da es ein originär deutsches Wort und, anders als bspw. Blitzkrieg oder Wanderlust, auch nicht als Lehnwort adoptiert worden ist. So bekam das Wort Quark im Englischen eine konkrete Bedeutung, die es bis dahin nicht hatte. Ungeachtet verschiedener sprachphilosophischer Bedeutungstheorien dürfte unstrittig sein, dass viele Wörter ihre Bedeutung dadurch erhalten, dass mit ihnen je nach Kontext bestimmte Bilder und Vorstellungen assoziiert werden. Mit dem Wort Baum assoziiere ich normalerweise das Bild eines konkreten Baums aus Holz in der Landschaft. Bewege ich mich im Bereich der Mathematik oder Informatik, assoziiere ich mit dem Begriff Baum das Bild eines Graphen eines bestimmten Typs4, ein abstraktes Strichgebilde also.
Nehmen wir z. B. das Wort Forschende, das seit geraumer Zeit Eingang in die Berichterstattung über wissenschaftliche Erkenntnisse, etwa auf Deutschlandfunk Nova, gefunden hat. Es heißt dann, Forschende hätten dies und jenes herausgefunden oder dies und jenes behauptet. Der Begriff Forschende wird hier offensichtlich als gendersprachlicher Ersatz für den traditionellen Begriff Wissenschaftler verwendet, um so das generische Maskulinum zu vermeiden. Das gelingt deshalb, weil das substantivierte Partizip I keine grammatikalische Geschlechtsformen kennt: Der Forschende, die Forschende, das Forschende und die Forschenden. Statt von den Forschenden könnte man gewiss auch von den Wissenschafttreibenden oder Wissenschaft Treibenden (laut Duden geht beides) sprechen, nur klingt dies irgendwie sehr umständlich und gekünstelt. Führt nun das Sprechen von den Forschenden zu einer Änderung meiner Assoziationen in Bezug auf die Personen, die man bis vor kurzem noch Wissenschaftler nannte? In gewissem Sinne schon, denn der Begriff der Forschung ist per se weiter gefasst als der Begriff der Wissenschaft. Forschung kann im akademischen Raum stattfinden, aber auch in der Industrie oder ganz privat, ohne institutionelle Anbindung. So nennt sich der auch aus dem Philosophischen Quartett bekannte Autor Rüdiger Safranski (u.a. Romantik. Eine deutsche Affäre, Zeit, was sie mit uns macht und was wir aus ihr machen) einen Privatgelehrten. Er ist gewiss ein Forscher, aber sicher kein Wissenschaftler im eigentlichen Sinn. Forschung ist eine Tätigkeit, Wissenschaft ist institutionalisierte Forschung, und ein Wissenschaftler ist ein Angehöriger des institutionalisierten Wissenschaftssystems. Zu guter Letzt kann man auch Wissenschaftler sein, ohne zu forschen, bspw. als Uni-Professor, der lediglich seinen Lehrauftrag erfüllt.
In jüngster Zeit ist der Begriff Mitarbeitende in Gebrauch gekommen. Mit diesem verhält es sich meiner Ansicht nach noch problematischer, denn die Diskrepanz zwischen intendierter und assoziierter Bedeutung des Wortes erscheint noch größer als beim o.g. Beispiel. Die intendierte Bedeutung des Wortes umfasst Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Institution (Unternehmen, Behörde etc.), also schlicht deren Arbeiter und Angestellte. Mache ich mir eine Vorstellung von einem Mitarbeitenden, dann erscheint vor meinem inneren Auge eine Gruppe von Personen, die gemeinsam an einer Aufgabe arbeiten, die an der Lösung der Aufgabe mitarbeiten. Diese Assoziation entspricht offensichtlich nicht der eigentlich intendierten Bedeutung des Begriffs, die doch die Rolle bzw. den Status von Personen innerhalb einer Institution umfassen soll. Es zeigt sich auch in diesem Fall, dass die Verwendung des substantivierten Partizips I eben nicht, wie beabsichtigt, zu Rollen- sondern zu Tätigkeitsassoziationen führt und die damit verfolgte Bedeutungszuweisung nicht erreicht wird. Insofern führt das andere Sprechen wirklich zu einem anderen Denken, doch gewiss nicht in dem von den Gendersprachaktivisten beabsichtigten Sinne.
1 Nach Ansicht von Robert Brandom kann dieses Konzept auf Kant zurückgeführt werden. Robert Brandom, Wiedererinnerter Idealismus. Berlin 2015, S. 23ff
2 John R. Searle, Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Frankfurt/M. 2005
3 Siehe auch Wittgensteins Satz: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.“
4 Genauer gesagt: Ein Baum ist ein zusammenhängender Graph ohne Zyklen.


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