Freitag, 9. Dezember 2011

Bella Vista


Da schwant einem nichts wirklich Gutes. Wir müssen uns wohl auf ungemütli­che Zeiten einstellen. Keine der Alternativen lässt uns ungeschoren davon kommen, wenn sie denn überhaupt realistisch sind.
Schuldenabbau: Das hätte wohl ein Sinken staatlicher Ausgaben und Investi­tionen und damit einen wirtschaftlichen Rückgang in bestimmten Branchen (Bau, Verkehr, Energie, Gesundheit) zur Folge, von den zu reduzierenden staatlichen Zuschüssen an Kranken- und Rentenkassen ganz abgesehen. Würden flankierend Steuern und Abgaben angehoben, würde dies zu sinken­dem Konsum und geringerer Sparquote führen. Auch nicht so toll. Geringere Spareinlagen könnten wiederum die Banken in Schwierigkeiten bringen, da dies die Kreditvergabe beeinträchtigen würde. Weniger Kredite, weniger Ge­winn, weniger Steuern usw. usf.
Inflation: Will an sich keiner, wenn sie oberhalb des Wirtschaftswachstums liegt. Inflation würde die Schuldenlast effektiv senken, das BIP würde nomi­nell steigen und flugs wäre man unterhalb der gesetzlich vorgeschriebenen maximalen Neuverschuldungsquote. Hilft aber nicht wirklich, weil eine hohe Inflationsrate zwar den Konsum befeuern könnte, die Investitionsneigung aber senken und sich schließlich entweder alles lediglich mit veränderten Zahlen wie­der einpegeln oder aber in einem großen Währungscrash enden würde. Was allerdings entschieden gegen das Inflationsszenario spricht, ist zum einen, dass es in der gegenwärtigen Euro-Konstruktion mit der EZB an der Spitze der Geldpyramide gar nicht funktioniert, und zum anderen, dass die westli­chen Länder eine massive Überproduktion haben, so dass Preiserhöhungen durch Güterverknappung äußerst unwahrscheinlich sind. Das Problem ist ja auch nicht die Geldmenge sondern im Gegenteil der Geldüberfluss an der falschen Stelle. Selbst wenn die EZB Staatspapiere aufkauft, erzeugt sie damit keinen Zuwachs der verfügbaren Geldmenge, sondern gleicht lediglich Haus­haltsbilanzen aus. Solange der monetäre Gegenwert der Staatspapiere nicht in Umlauf kommt, ist das Inflationsrisiko überschaubar. Was weiter gegen eine Geldentwertung spricht, ist die faktische Kopplung der anderen europäischen Währungen an den Euro. Bei den osteuropäischen Staaten ist dies offensicht­lich, die würden in die Entwertung hineingezogen, weil ihre Wirtschaft sonst massiv unter die Räder käme. Selbst die Schweizer Nationalbank hatte solche Befürchtungen, als sie vor einigen Wochen das Kursziel für den Euro bei 1,2 Sfr. fixierte1. In diesem Szenario stimmt der Merkel-Satz: „Scheitert der Euro, scheitert Europa.“ ausnahmsweise.
Währungsreform: Macht jetzt nur Sinn als gesamtgesellschaftlicher Bank­rott. 17 Euro-Länder müssten sich darauf einigen, gemeinsam, unangekün­digt, quasi über Nacht Zahlungsunfähigkeit anzumelden. Da außer China kein Land in Sicht ist, das dem finanziell entgegenwirken oder gar wirtschaftlichen Druck ausüben könnte, wären damit alle Staatsschulden weg, aber auch alle Staatsguthaben in Euro und alle irgendwo auf der Welt umlaufenden oder de­ponierten Euro wären umgehend wertlos. Die Banken und ihre Kapitalgeber wären um die akkumulierte Schuldenlast der Euro-Gruppe erleichtert, glei­ches gälte aber auch für die Gläubiger privater Schuldner. Einigermaßen un­beschadet davon kämen die Eigentümer von Immobilien und anderen Wertge­genständen (Edelmetalle, Kunst etc.) sowie die Inhaber von Konten in Dollar, Yen, Pfund oder Schweizer Franken, also die Wenigsten von uns. Das wäre an sich zu verschmerzen, wenn dem nicht entgegenstünde, dass ein genereller Schuldencut von staatlicher Seite faktisch eine Enteignung aller Gläubiger darstellt. Der im Staatspapier verbriefte Schuldentitel erwirkt einen Rechtsan­spruch des Inhabers gegen staatliches Eigentum. Der Gläubiger wird damit Miteigentümer des Staates. Auf jeden Fall hat er einen Rechtsanspruch auf Vollstreckung seiner Forderung bei Nichterfüllung des damit verbundenen Schuldkontrakts. Die ARD-Sendung „Panorama“ hat das vor 5 Jahren mal the­matisiert.2 Ohne Änderung der Rechtslage inkl. Grundgesetz der Bundesrepu­blik Deutschland ginge also gar nichts. Man denke nur an die Querelen bei der Euro-Einführung.
Umverteilung: Das ist wohl das Szenario hinter den Eurobonds. Die Staats­schulden werden auf alle Länder der Euro-Gruppe verteilt. Auf den ersten Blick sieht das gar nicht danach aus, da die Schulden ja von jedem einzelnen Staat getragen werden müssen, doch faktisch haftet jeder der Teilnehmerstaaten als Bürge mit seinem Eigentum für die Schulden jedes anderen. Käme also einer seinem Schuldendienst nicht nach, müssten die anderen seine Zinsen zahlen. Da wahrscheinlich keiner der „Geber“-Staaten dies aus reinem Altruismus tun würde, käme es im Ernstfall zum Szenario Griechenland, das ich in einem vorangegangen Beitrag skizziert hatte. Die Umverteilung der Schulden in die eine Richtung könnte zur Umverteilung des Eigentums in die Gegenrichtung führen. Allerdings würde das die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa durchaus befördern. Nicht so schnell und radikal wie das leider unrealistische Währungsreform-Szenario, aber immerhin. Wenn dann irgendwann alles Deutschland, Frankreich, Österreich (zzgl. Südtirol und Vinschgau), Luxemburg und den Niederlanden gehört, könnte auch unser geliebter Kaiser Barbarossa wieder in Amt und Würden gelangen.
Mein Fazit: Am Besten wäre es wohl, das Kredit- und Schuldensystem kom­plett aufzugeben bzw. abzuschaffen. Der alte Satz der alten Griechen Löscht alle Schulden und verteilt das Land neu!“ wäre zu ergänzen um die Forde­rung: „Und lasst es nie wieder zu Schulden kommen!“ Jesuanisch könnte man auch bitten: „Und erlöse uns von dem Bösen.“ (Auf die Probleme, die sich dar­aus ergäben und Ansätze zu deren Bewältigung werde ich vielleicht ein an­dern Mal eingehen.) Da das aber wohl in diesem System und in diesem Staat nicht geht, bleibt den armen Politikerwürstchen - und uns mit ihnen - wohl nur die erste Variante: Gürtel enger schnallen. Es sei denn, und das ist m. E. nicht ausgeschlossen, die Eurozone wird Schritt für Schritt zu einer Neuauflage des Heiligen Römischen Reiches umgeschuldet, wovor uns Gott bewahren möge.

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