Freitag, 28. Oktober 2011

Hellas!

Geld ist stets knapp. Geld ist umso teurer, je dringender man es braucht.

Trotz einiger plausibler Theorien von Aristoteles über Marx bis Heinsohn/Steiger weiß bis heute niemand wirklich mit endgültiger Sicherheit wie Geld entsteht. Dafür kann man gerade wunderbar anschaulich erleben, wie es umverteilt wird: Kleinanleger – Bank A/Versicherung B – Staatsanleihe – Abschreibung – neue Anleihe beim EFSF - Bank C/Versicherung D – Großanleger. Und mit etwas Geduld kann man bald live verfolgen, wie einhergehend mit der Umverteilung des knappen Geldes, das Griechenland dringend braucht, der Gegenwert des Geldes in Form von Kapital ebenfalls umverteilt wird. Interessanterweise war es der grüne Europaabgeordnete und Mitbegründer von Attac-Deutschland Sven Giegold, der in einer Deutschlandfunk-Diskussion Klartext redete: Griechenland braucht dringend Investitionen, und wir sollten die Investitionen fördern. Sicher ohne es zu beabsichtigen, hat Giegold damit an die wirtschaftlichen Aspekte der deutschen Wiedervereinigung erinnert.

Damals liefen drei Entwicklungen zeitlich nahezu parallel ab:
1. Einführung einer gemeinsamen Währung;
2. Stimulierung des privaten und öffentlichen Konsums mittels erhöhter Verschuldung der öffentlichen Kassen, besonders der Rentenkasse;
3. Förderung von privatwirtschaftlichen Investitionen mittels künstlicher Unterbewertung des im Beitrittsgebiets vorhandenen und nutzbaren Kapitals (Immobilien, Produktionsanlagen, Arbeitskräfte) durch die Treuhandanstalt.

Griechenland hat die ersten beiden Entwicklungsphasen mit dem Euro bereits absolviert - das Ergebnis ist bekannt. Griechenland ist nun reif für Phase 3.

Griechenland braucht dringend Geld zur Refinanzierung seiner Schulden. Geld wird es nur gegen Sicherheiten geben, sprich Anteile am Steueraufkommen oder mobilen und immobilen Sachwerten. Das ist der andere „Hebel“ des EFSF: Die Geberländer wie Deutschland, Frankreich, Österreich oder Finnland sitzen am längeren Ende des Hebels, mit dem sie für ihre Unternehmen die Bedingungen diktieren können, unter denen diese in Griechenlands Wirtschaft investieren werden. Die EU-Kontrolleure werden permanent in Athen und Umgebung präsent sein und sich gewiss darum kümmern, die Bedingungen günstig zu gestalten (siehe Treuhand). Da man Griechenland nicht in staatliche Abhängigkeit bringen kann und auch nicht will (Wie sähe denn das aus: EU-Protektorat Hellas?), bleibt nur wirtschaftliche Abhängigkeit, die auf lange Sicht eine Refinanzierung der jetzt getätigten Investition verspricht. Das ist der Preis, denn Geld ist umso teurer, je dringender man es braucht.

Freitag, 21. Oktober 2011

EU-Präsident Barroso ruft Banken zur Erhöhung der Eigenkapitalquote auf

EU-Präsident Jose Manuel Barroso rief heute die Banken der Euro-Zone dazu auf, ihre Eigenkapitalquote zu erhöhen. Sie sollten sich dazu private Kapitalgeber suchen oder schlimmstenfalls auf den Eurorettungsschirm EFSF zurückgreifen. Nun bin ich beileibe kein Betriebs- oder Finanzwirtschaftler, aber mir erscheint dieser Vorschlag gelinde gesagt naiv. 

Die Eigenkapitalquote ist der Quotient aus Eigenkapital und Bilanzsumme eines Unternehmens. Eigenkapital wiederum ist der Anteil an der Bilanzsumme, der nach Abzug aller Verbindlichkeiten (Schulden) übrig bleibt. Da Barroso keine Reduzierung der Verbindlichkeiten empfiehlt, was er auch nicht kann, da dies wohl dem Lehmanszenario entspräche, geht er wohl davon aus, dass entweder private Geldgeber liquide Mittel in die Banken stecken oder letztere beim EFSF um Liquidät betteln, die sie dann nicht in ihre Geschäfte stecken, sondern als Barreserve in ihre Bücher schreiben. Als Laie schaue ich mir die beiden Szenarien mal genauer an.

So eine Bankenbilanz ist doch einigermaßen kompliziert, wenn man die Begriffe und Zusammenhänge nicht an der Uni gelernt hat. Aber wozu gibt’s Wikipedia? Eigenkapital setzt sich demnach lt. Handelsgesetzbuch zusammen aus
  • gezeichnetem Kapital, 
  • Kapitalrücklage, 
  • Gewinnrücklagen,
  • Gewinnvortrag/Verlustvortrag, 
  • Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag. 
Erstes Szenario. Barrosos Denken wird sich sicher in europäischen Dimensionen bewegen und nicht in den Niederungen des deutschen Handels- und Steuerrechts, also können wir davon ausgehen, dass er keine Gewinn- oder Verlustvorträge im Visier hat. Da Barroso auch nicht von Reduzierung der Dividendenausschüttung gesprochen hat, die zu einer Erhöhung der Rücklagen genutzt werden könnte, meint er wohl die Erhöhung des Anteils an gezeichnetem Kapital, sprich Aktien. Private Investoren sollen Bankaktien kaufen. Das läuft auf eine Kapitalerhöhung hinaus. Wenn sich sonst nichts tut, steigt damit zwar das Eigenkapital, aber der Wert der Verbindlichkeiten oder der Forderungen bleibt unverändert. Es sei denn, mit dem eingesammelten Geld der Aktionäre werden Geschäfte getätigt (Kredite vergeben, Schuldverschreibungen gekauft etc.. das Übliche also). Das ergibt im gegenwärtigen Zustand des Finanzmarktes aber nur dann einen Sinn, wenn mit dem zusätzlichen Eigenkapital etwaige bzw. abzusehende Bilanzverluste durch Abschreibungen auf faule Schuldverschreibungen abgepuffert werden sollen. Barroso empfiehlt den Banken damit faktisch, das gleiche Geschäft weiter zu betreiben, dass Lehman Bros. in die Pleite getrieben hat. Statt toxischer Schuldverschreibungen sollen nun toxische Aktien verhökert werden. 



 Zweites Szenario. Die Banken besorgen sich Liquidität beim EFSF. Woher hat der EFSF seine Liquidität? Soweit ich das verstanden habe, basiert das Kapital des EFSF auf Krediten, die zu günstigeren Marktkonditionen aufgenommen werden können, als die eigentlichen Kreditnehmer wie Griechenland sie am Finanzmarkt geboten bekämen. Der EFSF ist also ein Broker, der Kredite aufnimmt und weiterverkauft. Im Hinblick auf Staaten als Kreditnehmer erschließt sich das ja noch einigermaßen. Aber Banken? Würden Banken beim EFSF Liquidität zur Aufstockung ihres Eigenkapitals anfordern, liefe das entweder darauf hinaus, dass der EFSF als Broker auch am privaten Finanzmarkt auftritt, aber das würde ja gar keine Eigenkapitalerhöhung bewirken, sondern nur die Verbindlichkeiten der bettelnden Banken erhöhen, oder sich mit seinem geborgten Geld an den Banken als Aktionär beteiligt, oder aber sein geborgtes Geld einfach an die Banken verschenkt, um deren Reserve aufzustocken (siehe oben).




 Oijoijoi, Jose Manuel.

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Melancholia von Lars von Trier

Sein Name fällt an keiner Stelle des Films, und doch ist Gott in Melancholia allgegenwärtig. Dabei braucht Lars von Trier bei seinem Weltuntergangsszenario der Kollision zweier Planeten den Allmächtigen nicht einmal als Wortbrüchigen zu desavouieren. Denn Gott kündigt den nach der Sintflut mit Noah geschlossenen Bund nicht auf, er ändert nur die Geschäftsgrundlage: „Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ heißt es in Genesis 8, 21-22. Solange die Erde steht… Doch die Erde steht nicht still. Sie bewegt sich auf einer annähernd elliptischen Bahn um die Sonne. Und der Planet Melancholia bewegt sich ebenfalls, wobei seine Bahn viel weniger vorhersagbar ist, als die der Erde. Das liegt zum einen daran, dass das Dreikörperproblem der Himmelmechanik (hier Erde, Mond und Melancholia bzw. Erde, Melancholia und Sonne) i.A. nicht exakt sondern nur näherungsweise gelöst werden kann, worauf im Film mehrfach dezent hingewiesen wird. Zum anderen ist unser veraltetes Weltbild Schuld an der Fehleinschätzung:  Auf der Suche nach Informationen über das befürchtete Kollisionsszenario stößt Claire im Internet auf eine Abbildung, in der die Bahn von Melancholia an die Epizyklen im geozentrischen Planetenmodell des Ptolemaios erinnert. Ironischerweise beschreibt die Bahn von Melancholia gegenüber der Erde wirklich einen solchen Kringel, was die diesseitigen Optimisten und Pragmatiker wie Claire eine Zeit lang hoffen lässt, man sei an der Katastrophe vorbei geschrammt. Justine, die längst Entrückte, sich schon im Jenseits aufhaltende Heilige, weiß es besser.  Der Zusammenprall ist dann auch nicht der hollywood-übliche Deep Impact eines kleineren Himmelskörpers mit der Erde. Gleich zu Beginn des Films, am Ende der sprachlosen Einführungssequenz zeigt uns Lars von Trier, dass es die Erde ist, die in den weit größeren Planeten Melancholia einschlägt. Die Erde ist der böse Komet, sie trägt den Tod nach Melancholia und zerstört sich dabei selbst. Zieht man die wunderbaren Traum- und Erinnerungssequenzen aus Justines letzten Momenten zu Beginn des Films und die selbstvergessen nackt hingestreckte Kirsten Dunst in seinem zweiten Teil ab, bleibt recht konventioneller dramatischer Kitsch, überladen mit psychologischer, philosophischer, soziologischer, politischer und religiöser Metaphorik, die z.T. auch vor dem Holzhammer (Totentanz) nicht zurück schreckt. 21/2 Stunden Film für die einfache Botschaft, dass Gottes Experiment Leben auf Erden gehörig misslungen ist.

Die kommende Gemeinschaft. Teil 4

Kommunitarismus: Die Ethik der Gemeinschaft Allein sein bedeutet, Mitglied einer großen Gemeinschaft zu sein, die gerade deshalb eine ist, ...