Welch ein Bild des Jammers. Christian Wulff möchte einem fast Leid
tun, und irgendwie tut er es auch, wenn er da Herrn Deppendorf und
der bissigen Frau Schausten, die man doch noch als TV-Azubine im
ZDF-MoMa erinnert, gegenüber sitzt und sich müht, mit rühriger
Demut und demonstrativer Empörung über den ach so rücksichtslosen
Medienbetrieb seine Haut zu retten. Nach spätestens 5 Minuten dieser
traurigen Demonstration offensichtlicher intellektueller Unfähigkeit
und moralischer Ambivalenz fragt man sich, warum der Präsident sich
dies überhaupt antut. Warum hat er nicht den Arsch in der Hose, die
Sache öffentlich beim Namen zu nennen, aufzustehen und das Studio zu
verlassen? Warum legt er sich erst mit der Bild-Zeitung an, wenn er,
der sich doch wohl ehrlichen Herzens im Recht wähnt, nicht den Mumm
hat, diese Auseinandersetzung bis zum Ende durchzuziehen? Es scheint,
als hätte Herr Wulff wirklich nicht das nötige Format und vor allem nicht die innere Unabhängigkeit, die es
braucht, sich einer solchen Auseinandersetzung offensiv zu stellen.
In
der Affäre Wulff zeigt sich einmal mehr die intellektuelle
und moralische Verwahrlosung eines Teils des politischen
Spitzenpersonals und seiner medial Verbandelten – und das quer über
alle etablierten Parteien und Interessengruppen. In einem Radio-Essay
zur Bildungspolitik bezeichnete der Philosoph Bernhard Taureck die
Gruppierungen, von denen hier die Rede ist, als
Macht-Geld-Medien-Verbund1.
Fast scheint es, als sei die Affäre zur exemplarischen
Bestätigung der These vom Macht-Geld-Medien-Verbund
aufgesetzt worden. Als niedersächsischer Ministerpräsident war
Christian Wulff Teil des Macht-Geld-Medien-Verbunds
und fühlte sich dort offenbar hinreichend geborgen und geschützt.
Als Bundespräsident ist er wohl dem Wahn anheim gefallen, nun auf
Seiten derer zu stehen, die über genügend Macht verfügen, um
bestimmen zu können, was medial veranstaltet wird. Irgendwie anrührend:
Herr Wulff legt sich mit der Bild-Zeitung an. Aus deren Sicht wedelt
da der Schwanz mit dem Hund. Und das geht natürlich überhaupt
nicht. Kanzler Schröder regierte nach eigenem Bekunden mit Bild,
BamS und Glotze in der klaren
Einsicht, dass in Deutschland auf keinen Fall gegen Bild,
BamS und Glotze, sprich gegen
den Macht-Geld-Medien-Verbund
regiert werden kann. Zu dieser simplen Einsicht hat es bei Herrn
Wulff nicht gereicht. Statt dessen erwartet er das Verständnis der
vor den Fernsehgeräten versammelten Staatsbürgerschaft für sein
Recht auf Privatsphäre, ein Recht, das er spätestens mit Umzug ins
Schloss Bellevue de facto abgegeben hat. Es nun auf diese Weise gegen
Bild zurück zu
fordern, erscheint wahrlich naiv, von den vorherigen nicht
öffentlichen Versuchen ganz abgesehen.
In
seinem viel und gern zitierten Vortrag „Politik als Beruf“2
unterscheidet Max Weber „...zwei
Arten, aus der Politik seinen Beruf zu machen. Entweder: man lebt
´für´
die Politik, – oder aber: ´von´ der Politik.“ Es drängt sich
der Eindruck auf, der aktuelle Bundespräsident gehöre zur zweiten
Kategorie - wohl als erster in diesem Amt. Wie sonst wäre es zu
erklären, dass er einerseits einen Privatkredit zum Hauskauf
aufnehmen musste und sich andererseits gerade deswegen so devot der
öffentlichen Demontage aussetzt. Vielleicht hat Herr Wulff nichts anderes als sein aktuelles Amt.
Im Gesetz
über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten3
lautet §1: „Scheidet der Bundespräsident mit Ablauf seiner
Amtszeit oder vorher aus
politischen oder gesundheitlichen Gründen
aus seinem Amt aus, so erhält er einen Ehrensold in Höhe der
Amtsbezüge mit Ausnahme der Aufwandsgelder.“ Demnach hätte Herr
Wulff bei einem Rücktritt in Folge der laufenden Affäre
keinen Anspruch. Ihm bliebe dann nur das Ruhegehalt als ehemaliger
niedersächsischer Ministerpräsident. Er war 7 Jahre lang
Ministerpräsident und hätte demnach Anspruch auf ein Ruhegehalt in
Höhe von etwa 32,5 % des niedersächsischen
Ministerpräsidentengehalts, das wiederum 127,4 % „des Grundgehalts
der Besoldungsgruppe 10 der Besoldungsordnung B des Niedersächsischen
Besoldungsgesetzes, zuzüglich des für diese Besoldungsgruppe
geltenden Familienzuschlages“ beträgt.4
Auch ohne hier komplizierte Berechnungen zur Ermittlung von
Versorgungsansprüchen zu vollführen, ist doch klar, dass sie beim
Rücktritt vom Präsidentenamt um einiges geringer ausfallen als bei
vollständiger Absolvierung der Amtszeit.
Wenn
das der ganze Hintergrund des laufenden Schmierentheaters um Würde
des Amtes, um Achtung der Privatsphäre und um Pressefreiheit ist,
möchte man da nicht wirklich Mitleid mit Herrn Wulff haben?
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