Donnerstag, 12. April 2012

Was bedeutet das alles? von Thomas Nagel

Gutes Philosophieren beginnt mit dem Staunen. Gute Philosophen stellen erst einmal Fragen, das heißt, sie stellen in Frage. Oft machen sie sich damit unbeliebt, manchmal - meist erst nach ihrem Ableben - werden sie berühmt, selten aber verstanden. Sokrates war so einer, Kant ebenso und Jesus irgendwie auch.
Ob der Amerikaner Thomas Nagel dereinst zu den ganz großen seines Fachs zu zählen sein wird, ist schwer zu sagen. Ein guter ist er in jedem Fall. Nagel ist Rationalist im besten Sinne des Wortes, also zutiefst überzeugt von der Kraft des menschlichen Verstandes. Deshalb glaubt er auch, dass die Titel gebende Frage „Was bedeutet das alles?“ grundsätzlich beantwortet werden kann. Als Autor gelingt es ihm, in jeder Zeile seines Buchs dem Leser das Staunen darüber zu vermitteln, dass der menschliche Verstand sich diese und andere grundlegende Fragen, wie z.B. die neun von ihm ausgewählten, überhaupt zu stellen vermag.
In der Einleitung schreibt Thomas Nagel: „Im Zentrum des Philosophierens stehen gewisse Fragen, die ein reflektiertes menschliches Bewusstsein auf natürliche Weise verwunderlich findet, und am besten beginnt man sein philosophisches Nachdenken, indem man sich ihnen unmittelbar zuwendet.“ Man muss allerdings zugeben, dass nicht alle Fragen, denen sich Nagel zuwendet, eine gleichermaßen natürliche Verwunderung auslösen. So gehören gleich die ersten zwei Probleme: „Woher wissen wir etwas?“ und „Das Fremdpsychische“, sowie das fünfte: „Die Bedeutung von Wörtern“, wohl zu den dem Alltagsbewusstsein eher fern liegenden, erkenntnistheoretisch elaborierten Themen, die gleichwohl fundamentale Fragen des Menschseins behandeln. Um einiges näher „an der Basis“ sind hingegen die Fragen nach der Moral, nach dem Tod oder dem Sinn des Lebens.
Thomas Nagel gibt keine Antworten. Er behandelt verschiedene, auch widerstreitende Standpunkte, darunter stets auch den eigenen, und vermittelt so, dass es auf die gestellten Fragen bislang keine befriedigenden Antworten gibt. Dies und der in seiner lakonischen Sachlichkeit und Schlichtheit fast poetisch anmutende Stil des Autors machen „Was bedeutet das alles?“ zu einer intellektuell anregenden und sprachlich angenehmen Lektüre. Das Buch ist nicht neu, es erschien erstmals 1987, hat aber seither, wie es sich für gute Philosophie gehört,  nichts an Substanz verloren. Denn, Zitat Nagel: „Über diese Probleme wird seit tausenden von Jahren geschrieben...“
Mir wurde Thomas Nagel bekannt durch seinen Aufsatz "What is it like to be a bat"1, in dem er begründet, dass, egal wie viel wir über das Gehirn eines Wesens wissen, z.B. über das einer Fledermaus (daher der Titel), wir doch nie dessen Erlebnisperspektive erschließen können2. Schon dieser Denkansatz lässt erahnen, worauf man sich einlässt, wenn man Thomas Nagel folgt, was unbedingt zu empfehlen ist, denn, wie Einstein einst sinngemäß anmerkte, ist das Denken eine der schönsten Vergnügungen der menschlichen Spezies.

Thomas Nagel. Was bedeutet das alles? Stuttgart, 2008


1 http://organizations.utep.edu/Portals/1475/nagel_bat.pdf
2 zitiert nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Nagel_(Philosoph)

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