Es
fällt nicht schwer, sich gedanklich auszumalen, wie David Fincher
ins imaginäre Kopfkissen gebissen haben mag, als er vor drei Jahren
- möglicherweise ja zufällig - die schwedische Erstverfilmung
der Millenium-Trilogie gesehen
hat. Die Romanvorlage wird er kaum gekannt haben, schließlich wurde
Stieg Larsson selbst in Europa erst durch die Verfilmungen richtig
populär. Klar ist jedoch: Millenium ist
eindeutig Fincher-Stoff. Keinem Hollywood-Filmemacher scheint der
Stoff mehr auf den Leib geschnitten zu sein, als dem Regisseur
solcher Großtaten wie Seven, The
Game oder Fight
Club.
Schon
nach wenigen Filmminuten, spätestens aber, wenn Blomkvist auf die
Bibelzitate in Harriets Nachlass stößt, ahnt man, dass Fincher
seinen Film nicht gedreht hat, um, wie verschiedentlich unterstellt
wurde, aus rein geschäftlichen Interessen eine Version für den
US-Markt zu schaffen, sondern er, David Fincher, wollte für
sich seine Version
von Verblendung. Und so ist denn der Film auch alles andere als
kompatibel zum US-Markt, eher steht zu befürchten, dass er dort ein
Kassenflop wird (lt. zelluloid.de sind es nach 4 Wochen 88 Mio.
$ bei Produktionskosten von 90 Mio. $ ).
Finchers Verblendung ist
in seiner Nähe zur Romanvorlage und seinem finsteren Realismus dann
doch ein eher europäischer Film geworden und noch dazu ein politisch
wohltuend inkorrekter. Statt Action gibt es rohe, stumpfe
Alltagsgewalt. Und je länger die Geschichte dauert, desto mehr wird
gequalmt. Die Mad
Men lassen
herzlich grüßen. Der kongeniale Soundtrack von Trent Reznor und
Atticus Ross, die schon für die Filmmusik zu The
Social Network verantwortlich
zeichneten, untermalt die Handlung mehr symbiotisch als symbolisch
und drängt sich nie in den Vordergrund. Wer die schwedische
Erstverfilmung kennt, wird Noomi Rapace in der Lisbeth-Rolle
vermissen und sich anfangs schwer tun mit Rooney Mara. Doch Mara ist
vielleicht sogar die bessere Besetzung, denn sie wirkt in ihrer
psychischen und physischen Fragilität noch schutzloser als die
robustere Rapace. Die Diskrepanz zwischen Innen und Außen wirkt bei ihr noch
radikaler. Auch Daniel Craig und Stellan Skarsgard bieten eine
herausragende Performance.
Das
aufdringliche, von einem Immigrant-Song-Cover unterlegte Intro als
Kreuzung aus Musikvideo und James-Bond-Vorspann ist sicher
Geschmackssache, zumal es so gar nicht zum Film passt. Hommage an
Craigs Bond-Figur? Insgesamt aber setzt Fincher die Geschichte straff
in Szene, und gut zweieinhalb Stunden Verblendung bieten
eine sehr gelungene Kombination aus Thrill und Tiefgang. Fortsetzung
folgt?
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