Verschiedene
Sprachen klingen bekanntlich verschieden. Hier, im sonnigen Südwesten
Frankreichs ist mir das gerade wieder ganz besonders aufgefallen,
wenn ich nämlich beim Durchradeln des Dept. Pyrenées-Orientales,
der Gegend um die Stadt Perpignan also,
die Ortsschilder mit Angabe der zugehörigen Partnergemeinden gelesen
habe.
Der
Ort mit dem wohlklingenden Namen Bages bspw.
hat das Pech, das deutsche Niederstotzingen zur
Partnergemeinde zu haben. Noch ärger hat es das Wein- und
Winzerdorf Tautavel getroffen,
dessen deutsche Partnergemeinde Mauer heißt.
Ich wusste bis dato nicht, dass es einen Ort solchen Namens überhaupt
gibt. Und die Mauer ward doch 1989/90 abgerissen, denkt man. Die
Gemeinde mit dem wirklich wenig ästhetischen Namen Mauer liegt
allerdings nahe Heidelberg. Gerade am Wort Mauer zeigt sich, dass
nicht nur der Klang die Ästhetik eines Wortes bestimmt, sondern auch
seine Bedeutung.
Die
englische Band Elbow habe
sich, so wird behauptet, so benannt, weil Elbow (Ellenbogen) das
englische Wort mit dem sinnlichsten Klang sei. Nun
klingt Ellenbogen im
Deutschen auch nicht unangenehm, doch eignet dem Wort eine
weitere, über die rein anatomische hinausgehende Bedeutung, wie
am wenig schönen Begriff Ellenbogengesellschaft deutlich
wird. Ich glaube nicht, dass es diese Wortkombination im Englischen
gibt - elbow
society -
jedenfalls nicht in der deutschen Bedeutung. Das sieht doch sehr nach
english for runaways aus.
Fragte
man mich nach dem schönsten, sinnlichsten, wohlklingendsten Wort der
deutschen Sprache, so würde ich Feierabend nennen.
Feierabend hat einen sehr angenehmen Klang und dazu noch eine höchst
angenehme Bedeutung. Auch scheint es in dieser Bedeutung einzigartig
zu sein. Schwer vorstellbar, dass im Englischen die Zeit nach
Arbeitsschluss celebration evening genannt wird
oder im Französischen soirée de fête oder im
Spanischen noche del la fiesta. Für die
arbeitsbesessenen Deutschen aber kommt nach der täglichen Arbeit das
abendliche Feiern. Mit dieser Wortbildung, so scheint es, zeigen wir
uns einmal mehr konsequenter und radikaler als unsere
europäisch-kulturgemeinschaftlichen Mitbürger altgermanischer
Stammesherkunft. Dass am Abend nach getaner (Lohn-) Arbeit noch Zeit
für anderes bleibt, ist dem Deutschen ein Grund zum Feiern. Und das
wiederum heißt für ihn, sich in der dem Werktor nächstgelegenen
Kneipe im Kreise gleich ausgebeuteter Lohnsklaven zu besaufen oder
wenigstens in Stimmung zu trinken.
Als
ich Anfang der 1980er Jahre ein paar Wochen als Hilfskraft auf dem
hiesigen Schlachthof arbeitete, begann der Feierabend meist
schon zwischen 14 und 15 Uhr. Dann war i.d.R. das Tagespensum zu
tötender, zu reinigender und zu zerlegender Schweine bewältigt und
nach obligatorischer Schichtschlusshygiene ging es in die besagte
Kneipe vor dem Werktor, die natürlich den Namen „Zum Schlachthof“
trug. Dort verschaffte man sich mit Bier und Korn die nötige
Stimmung, um am eigentlichen Abend das häusliche Elend mit Frau und
Kindern zu ertragen oder zuvor noch im Schrebergarten oder im
Hobbykeller seinen von der entfremdeten Lohnarbeit noch nicht
gestillten Beschäftigungstrieb auszuleben und sich erst danach dem
besagten Elend auszusetzen. So bedeutet denn Feierabend, dieses
wohlklingende, sinnliche Wort, die versoffene und vertrödelte
Zeit zwischen zwei Pflichtübungen – dem Broterwerb und der
Arterhaltung. Der werktätige Mann erkauft sich seinen
Feierabend damit, beiden Pflichtübungen hinreichend
nachzukommen.
Ich
glaube, dass dies auch in den anderen Sprachkulturen so war und z.T.
noch so ist; darauf deutet u.a. das Verhalten amerikanischer und
britischer Polizisten in diversen Spielfilmen und Fernsehserien
hin, nur gibt es dort dafür kein so schönes Wort wie im
Deutschen. Feierabend scheint eines dieser
einzigartigen, unübertragbaren deutschen Wörter zu sein, wie sie
als Lehnwörter so manches Mal überraschenderweise in einer
Fremdsprache auftauchen: Blitzkrieg, Führerprinzip, Leitmotif,
Wanderlust im Englischen etwa, oder Absatz, Rucksack, Durchschlag,
Wunderkind im Russischen.
Wie
lange es wohl den Feierabend in dieser Bedeutung noch geben wird? Als
leere Floskel vom „Schönen Feierabend“ ist er noch präsent. In
der traditionellen Bedeutung ist er wohl am Aussterben, auch und
gerade weil die Klasse der Industriearbeiter am Verschwinden ist. Die
unsägliche Rede von der work-life-balance –
als würde man bei der Arbeit nicht leben – beweist gleichsam,
dass der postmoderne selbstausbeutende Arbeitnehmer, der Flexible
Mensch1 des
neuen Kapitalismus den Feierabend in dieser Bedeutung nicht mehr
erlebt bzw. erleben soll. Er kennt nur noch die eine
Pflichtübung der Arbeit, die möglichst sein ganzes Leben in
Beschlag nehmen soll. Insofern wäre die Zurückeroberung des
traditionellen Feierabends, wozu es in Gestalt der
After-Work-Parties ja bereits Versuche gab, möglicherweise ein Akt
der individuellen Emanzipation vom Druck der Durchökonomisierung
aller Lebensbereiche und der Wiedergewinnung von etwas Heiligem im
profanen Alltag. Traun wir uns doch einfach.
Das
Buch zum Text: Feierabend:
Eine Reise in die deutsche Seele
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