Freitag, 18. Oktober 2013

Meine Daten, Deine Daten

In wenigen Wochen jährt sich zum 30. Mal die Verkündung des berühmten „Volkszäh­lungsurteils“ durch das Bundesverfassungsgericht. Eine kritische Würdigung jenes Urteils bereits heute mag verfrüht erscheinen, doch aus aktuellem Anlass (NSA) und auch von  Be­rufs wegen habe ich mir so meine Gedanken gemacht, denn schließlich kann das Urteil durchaus als Geschäftsgrundlage unserer geltenden Datenschutzgesetzgebung und damit auch des vom frisch gewählten Bundestag absehbar zu verabschiedenden IT-Sicherheitsge­setzes  angesehen werden. Mit dem „Volkszählungsurteil“ wurde seinerzeit das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung begründet, das individuelle Bürgerrecht also, selbst über die Privatheit oder Öffentlichkeit von Informationen über die eigene Person entschei­den zu können.
Spricht man von Kommunikation, dann hat es Privatheit nie gegeben. Wie auch? Der Dialog mit Gott oder mit dem eigenen Ich mag privat sein, wo jedoch zwei Menschen sprachlich miteinander kommunizieren, ist Öffentlichkeit. Hundertprozentige Privatheit, völlige Vertraulichkeit, absolute Geheimhaltung kann es dort nicht geben. Es muss ja nicht einmal ein Dritter mithören - mein Gesprächspartner ist frei darin, mit dem ihm von mir Mitgeteilten zu tun und zu lassen, was ihm beliebt. Ich kann ihn nicht daran hin­dern, es sei denn mittels Mafia-Methoden, die aber wohl strikt verboten sind. Ebenso wenig kann ich verhindern, dass Inhalte unseres Zwiegesprächs auf anderen Wegen an Dritte geraten. In Kenntnis dieser simplen Tatsache haben wir gelebt seit Menschengedenken. Wir haben unser Kommunikationsverhalten daran ausgerichtet, haben, je nach Bedeutung und Ver­traulichkeitsanspruch, unsere Kommunikationspartner, Kommunikationsorte, Kommuni­kationswege und Kommunikationsarten gewählt. Die Kulturtechniken zur Herstellung von Vertraulichkeit und Privatheit hatten wir wie selbstverständlich von klein auf zu erlernen und einzuüben. Im großen Raum des Politischen gab es Verschwörungen und Intrigen, fanden Revolutionen statt und wurden Kriege angezettelt. Im kleinen Raum des Privaten wurden Frauen beschlafen und verprügelt, Kinder gezeugt und später missbraucht, sadisti­sche und/oder masochistische Neigungen ausgelebt usw. usf. Es war klar, dass die große wie auch kleine Verschwiegenheit nur unter Einhaltung strikter und gleichsam allen geläufiger Regeln funktionieren kann. Wir waren öffentlich, es sei denn, wir trafen Vorkehrungen, die Öffentlichkeit auszuschließen.
Bis eben zu jenem „Volkszählungsurteil“ des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983, mit dem das Bürgerrecht auf informationelle Selbstbestimmung etabliert wurde und in dem es heißt:
Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob ab­weichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltenswei­sen aufzufallen. […] Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzel­nen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elemen­tare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bür­ger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist. Hieraus folgt: Freie Ent­faltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus.[1]
Es lohnt sich, diese Textpassage näher zu beleuchten. Mehrerlei fällt auf:
Da ist zum einen die Unterstellung, dass der bundesdeutsche Durchschnittsbürger das Be­dürfnis habe nicht aufzufallen, sofern er wüsste oder ahnte, dass sein abweichendes Ver­halten dauerhaft registriert würde. Implizit steckt dahinter die Vermutung, ja Gewissheit, derjenige, der dieses (wovon eigentlich?) abweichende Verhalten registrierte, könnte sein so gewonnenes Wissen missbrauchen und es gegen die jeweilige Person wenden. Kurz: Wer etwas von mir weiß, könnte mir damit schaden. Man könnte meinen, diese Implikati­on wäre einer spezifisch richterlichen Anthropologie entsprungen, nach der Menschen ent­weder Opfer oder Täter oder Zeugen sind. Allerdings sahen sich die seinerzeitigen Kläger ja wirklich als potenzielle Opfer etwaiger staatlicher Willkür.
Zum anderen machen die Verfassungsrichter wohl eine Unterscheidung zwischen Kommu­nikation im oben erwähnten Sinn und Datenverarbeitung, denn sie beziehen ihr Urteil ja ausdrücklich auf „Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe“ von persönlichen Daten. Zwar ist hier nicht explizit von elektronischer Datenverarbeitung die Rede, doch si­cher ist genau diese gemeint. Dem Urteil liegt so eine nicht allein semantische sondern ebenso pragmatische Unterscheidung zwischen dem analogen Raum der menschlichen Kommunikation und dem digitalen Raum der elektronischen Datenverarbeitung zu Grun­de.
Zum dritten schlussfolgert das Gericht aus der richtigen und vernünftigerweise zu unter­stützenden Feststellung, dass „Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung ei­nes auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheit­lichen demokratischen Gemeinwesens ist“, dass sich diese Selbstbestimmung nicht nur auf das Wollen und Handeln der Bürger bezieht, sondern eben auch auf den informatorischen Gehalt dieses Wollens und Handelns. Die persönlichen Daten einer Person werden dieser gewissermaßen als Attribute zugeschrieben, und qua informationellem Selbstbestim­mungsrecht spricht ihr das Gericht die alleinige Verfügung über deren Verwendung zu. Konsequent zu Ende gedacht, konstituiert das BVerfG auf diese Weise ein Eigentumsrecht der Person an ihren persönlichen Daten. Dieser Meinung widersprechen zwar manche Ju­risten mit dem Verweis darauf, dass den Daten erst durch Interpretation auf Seiten des Empfängers bzw. Verarbeiters eine konkrete Bedeutung zugewiesen wird, womit allerdings unterstellt wird, dass die Person, deren Daten erhoben, übermittelt und verarbeitet wer­den, diesen Daten eine grundsätzlich andere Bedeutung beimessen könnte als derjenige, der sie erhebt, übermittelt oder verarbeitet. Dies aber ist ein Scheineinwand, denn wie soll­te die Person ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung und damit auch auf Ent­scheidung über die Verwendung ihrer Daten ausüben, wenn man ihr nicht zumindest dem Grundsatz nach die Fähigkeit zugestehen würde, die Interpretation der Daten im konkre­ten Kontext zu antizipieren?
Dass ich die zitierte Passage aus dem Urteil des BVerfG so auseinander nehme, hat einen einfachen Grund: Mir scheint, dieses Urteil markiert den Beginn eines allmählichen und verheerenden Para­digmenwechsels im Verständnis von normaler Kommunikation. War bis dahin öffentliche Kommunikation der Normalfall und, wie eingangs beschrieben, jedem irgendwie klar, dass private, vertrauliche Kommunikation zusätzlicher Vorkehrungen bedarf, so erklärt das Ge­richt nunmehr die Privatheit zum Normalfall. Gewiss hat es dies explizit nicht so formuliert, gleichwohl wurde in der Folge aus dem verfügten Recht auf Privatheit und Bestimmung über die Verwendung privater Daten eine Kommunikationspraxis abgeleitet, die davon ausgeht, dass alle an der Kommunikation Beteiligten dieses Recht respektieren. Im Falle der einfachen Telefon- und Briefpostkommunikation war diese Annahme auch schon vor dem Urteil prinzipiell gerechtfertigt, denn das Post- und das Fernmeldegeheimnis gehör­ten und gehören zu den verfassungsmäßig geschützten Grundrechten (Art. 10 GG).
Inzwischen haben wir gelernt, dass diese Annahme für die Internetkommunikation eben nicht gerechtfertigt  ist und auch nicht sein kann und dass das „Volkszählungsurteil“ von 1983 per se keine hinreichende Grundlage mehr für die Wahrung der Selbstbestimmungs­rechte elektronisch kommunizierender Personen bietet. Die Gründe hierfür lassen sich an­hand der oben besprochenen drei Kernelemente des Urteils verdeutlichen. Hinzu kommen juristische Fehlinterpretationen und Fehlentscheidungen, die sich rückblickend mit dem erwähnten Paradigmenshift erklären lassen.
Seit 1983 hat sich das gesamtgesellschaftliche Verständnis von Norm und Abweichung von der Norm radikal verändert. Was immer auch das BVerfG seinerzeit unter „abweichendem Verhalten“ verstanden haben mag, es spielt, wie mir scheint, heute, sofern es nicht straf­rechtlich relevant ist, keine entscheidende Rolle mehr. Der Ausdruck selbst erscheint selt­sam antiquiert und ist nur mühsam verständlich zu machen. Allgemeine Gleichstellung, Religionstoleranz, Gendering, rechtliche Anerkennung homosexueller Partnerschaften, Inklusion usw. usf. - der gesellschaftliche Diskurs der Bundesrepublik bietet scheinbar keinen Ort mehr für die Thematisierung von „Abweichungen“, außer vielleicht in klerikalen oder radikalpolitischen Nischenräumen. Im Gegenteil, gerade die Abweichung von einer vermeintlichen Norm wird von Gruppen und Individuen als Auszeichnungskriterium mit dem Verweis auf Diskriminierungs­verbote und jede Art von Minderheitenrechten ins Feld geführt. Zuletzt wurden gar psychi­sche Störungen mehrheitsfähig gemacht, als der Softwarekonzern SAP verkündete, hun­derte Autisten einstellen zu wollen. Aus dem zunehmend schwindenden gesellschaftlichen Bewusstsein für Norm und Abweichung erklärt sich denn wohl auch die von einigen Da­tenschutzaktivisten beklagte Mentalität des Ich-hab-doch-nichts-zu-verbergen der meis­ten Bundesbürger angesichts der aktuellen NSA-Affäre. Fast ist man geneigt, daraus den Schluss zu ziehen, die Bundesrepublik Deutschland habe 2013 einen Zustand der vollende­ten Übereinstimmung der geltenden Rechtsnormen mit dem moralischen Selbstverständ­nis ihrer Bürger erreicht. Kant – der mit dem kategorischen Imperativ - hätte daran wohl seine helle Freude. Der Staat, so die inzwischen vorherrschende Meinung, wäre der letzte, der Interesse an der Privatsphäre seiner Bürger hätte, den „Abweichungen“ interes­sieren würden. Viel eher, so zeigen Umfragen, befürchtet man übermäßiges Interesse von Nachbarn oder Arbeitgebern. Das vom BVerfG konstituierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird also inzwischen nicht primär als Selbstverteidigungsrecht des Ein­zelnen gegenüber dem Staat interpretiert, sondern vielmehr als Recht des einen Bürgers gegen alle anderen, bei dessen Wahrung und Durchsetzung der Staat in Gestalt der Judika­tive nur noch als neutraler Dritter und Vertrauensanker fungiert. Ich glaube kaum, dass dies den Richtern bei der Urteilsfindung vorschwebte.
Mit der Ausbreitung des Internets als dem Kommunikationsmedium schlechthin haben sich die Unterschiede zwischen analoger und digitaler Kommunikation gleichsam verflüs­sigt. Irgendwie ist alle Kommunikation, ist aller Informationsaustausch digital geworden. Statt zu telefonieren schicken wir SMS oder WhatsApp-Messages oder E-Mails oder sky­pen oder chatten. Diese Feststellung ist natürlich völlig banal, sie ist jedoch wichtig, inso­fern sie zeigt, dass die vom BVerfG implizierte Unterscheidung von menschlicher Kommu­nikation und elektronischer Datenverarbeitung nicht mehr trägt. Digitalisierung ist zur technischen und auch mentalen Norm unseres Kommunikationsverhaltens geworden, ohne dass allerdings, und darin liegt m. E. eines der wesentlichen Probleme, unsere Kul­turtechniken der Herstellung von Vertraulichkeit und Privatheit darauf abgestimmt wor­den wären. Stattdessen haben sich die Verhältnisse schlicht umgedreht: An die Stelle der Normalität des öffentlichen Raumes, in dem man sich Privatheit schaffen muss, ist die Normalität des privaten Raums getreten, aus dem heraus aus man sich Öffentlichkeit schaffen will.[2] Die Kulturtechniken der Herstellung von Privatheit, die das BVerfG schüt­zen zu müssen meinte, werden so gar nicht mehr benötigt, weil das Individuum im digita­len Kommunikationsraum keinerlei physische Präsenz hat, stattdessen mit einer digitalen Identität in Erscheinung tritt und je nach Kommunikationskontext entscheiden kann, wie viel von seiner eigentlichen „wahren“ Identität in die Kommunikationsflüsse Eingang fin­det. Privacy by Design ist das aktuelle Stichwort, und ganz praktisch sind es Techniken wie Anonymisierung, Pseudonomisierung und Avatarisierung. Die einstmals öffentlichen Rollenspiele des realen Lebens finden als private zunehmend im Netz statt, und gleichsam als Kompensation wird von uns in der Öffentlichkeit ein Höchstmaß an Authentizität er­wartet. Auf die Tyrannei der Intimität folgt die Tyrannei der Authentizität.
Doch zurück zur Privatheit. Wie schon gesagt, markiert das „Volkszählungsurteil“ von 1983 m. E. den Beginn eines Paradigmenwechsels im Verständnis elektronischer Kommu­nikation, nach dem deren Privatheit als Normalfall angesehen wird. Wenn sie auch nicht direkt aus diesem Verständnis resultieren mag, so passt die Ausweitung des Post- und Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 GG auf E-Mail und sonstige Datenübermittlung im Netz doch bestens dazu, und ich halte sie für einen juristischen Kardinalfehler.  Sicher gab es seinerzeit gute Gründe dafür und möglicherweise auch keine anderen Optionen, und sicher war man sich der weitreichenden Folgen der bedingungslosen Ausweitung auf elektroni­sche Kommunikation nicht wirklich bewusst. Das sollte aber nicht daran hindern, das, was als Fehler identifiziert wurde, auch so zu benennen und den Fehler nach Möglich­keit zu korrigieren.
Das Post- und Fernmeldegeheimnis stammt ursprünglich aus der Zeit, als der National­staat das alleinige Monopol auf Post-, Telefon- und Fernmeldedienste hatte, und die liegt gar nicht so lange zurück. Erst 1995 entstanden aus der Deutschen Bundespost die Unter­nehmen Deutsche Post, Deutsche Telekom und Postbank. Die heutige Bundesnetzagentur wurde erst 1998 als Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post gegründet, woraus man schließen kann, dass ein Bedarf nach Regulierung auf dem Markt für Tele­kommunikations- und Postdienstleistungen überhaupt erst Mitte der 1990er Jahre ent­standen ist. Lediglich im Mobilfunkbereich hatte mit dem Markteintritt von Mannesmann (später Vodafone) der Wettbewerb bereits etwas früher Einzug gehalten. 1996 wurde das Fernmeldegeheimnis als §85 (seit 2004 §88) in das Telekommunikationsgesetz (TKG) auf­genommen; die resultierenden Datenschutzbestimmungen für Service Provider (u.a. E-Mail, VoIP, soziale Netze) sind in §107 zusammengefasst, in dessen Absatz (2) man al­lerdings Erstaunliches lesen kann:
Der Diensteanbieter hat die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, um Fehlübermittlungen und das unbefugte Offenbaren von Nachrichteninhalten innerhalb seines Unternehmens oder an Dritte auszuschließen. Erforderlich sind Maßnah­men nur, wenn ihr Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck steht. Soweit es im Hinblick auf den angestrebten Schutzzweck erforderlich ist, sind die Maßnahmen dem jeweiligen Stand der Technik anzupassen.
Der Gesetzgeber nimmt damit die Service Provider zwar rein juristisch in die Pflicht, lässt ihnen faktisch aber freie Hand bei der technischen Ausgestaltung. Mehr noch, er überlässt ihnen die Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Angemessenheit etwaiger Maßnahmen. Der E-Mail-User und seine Ansprüche kommen nicht vor. Offensichtlich ist jedenfalls, dass der gesetzliche Schutz des Fernmeldegeheimnisses bei E-Mail- und sonstigen Internet-Diensten reine Deklaration ohne jegliche Substanz ist.
Die vom „Volkszählungsurteil“ und von der Datenschutzgesetzgebung zum Normalfall erklärte Privatheit auf der Grundlage der informationellen Selbstbestimmung ist angesichts der realen Verhältnisse im Netz eine Fiktion, ein Mythos. In Wirklichkeit befinden wir uns im Netz in der gleichen Situation wie eh und je – nämlich auf der Agora und zwar der größten, die je existiert hat. Alle rufen wild durcheinander (ich ja auch), jeder hört jeden, das Geschrei wird hier und da gefiltert und kanalisiert, so dass einzelne Rufe ihre Adressaten erreichen, bei Bedarf tragen wir Masken oder verfremden unsere Stimmen. Nur dass unsere althergebrachten Techniken der Herstellung von Privatheit und Vertraulichkeit hier versagen, und die neuen Techniken (Kryptographie, Steganographie, Tor-Netzwerk) hat man bislang den wenigsten Nutzern beigebracht. Als Kenner der Materie und kritischer Beobachter der Entwicklungen in den vergangenen 10-15 Jahren, komme ich i.Ü. unweigerlich zu dem Schluss, dass dies genauso so gewollt ist. Weder Staat noch IT-Industrie haben bislang ein Ernst zu nehmendes Interesse daran gezeigt, dem normalen Netz-User die erforderlichen Techniken zu vermitteln bzw. angemessen zur Verfügung zu stellen. Wo dies geschah, war es stets im Eigeninteresse der Unternehmen (Online Banking, E-Business) oder des Staates selbst (elektronischer Rechtsverkehr, DE-Mail). In der Regel jedoch erfreut man sich  am Netz als postmoderner Inkarnation von Jeremy Benthams Panoptikum, in dessen Mitte, wie wir nun wissen, die NSA seit längerem einen Beobachtungsturm unterhält.





Datacenter der NSA          Quelle: Getty Images




[2]  Interessanterweise hatte der amerikanische Soziologe Richard Sennett diese Entwicklung, wenn auch zu­nächst in anderen Zusammenhängen, bereits 1977 in seinem Buch „The fall of public man“ (dt. „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität“, 1986) thematisiert.

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