Montag, 18. Juli 2016

Vor gut 80 Jahren

Zum Putschversuch gegen Erdogan


Zuweilen lohnt ein Blick in die Geschichte.
Am 1. Dezember des Jahres 1934 erschoß ein gewisser Leonid Nikolajew im Smolny, dem Sitz der Leningrader Organisation der Kommunistischen Partei, deren Chef Sergej Kirow. Kirow war Mitglied des Politbüros und galt als strammer Hardliner und Stalinist, auch wenn es diesen Ausdruck seinerzeit noch gar nicht gab.
Stalin nahm den Mord an Kirow, dessen Hintergründe bis heute ungeklärt sind, zum Anlass, eine Jahre andauernde umfassende Säuberung des Partei- und Staatsapparates, der Wirtschaft, der Kultur und der Wissenschaft sowie der Militärführung einzuleiten, die als der Große Terror in die Geschichte eingehen und an deren Ende Stalin als uneingeschränkter Herrscher über Partei und Sowjetvolk dastehen sollte.
Am bekanntesten dürften wohl die drei großen Moskauer Schauprozesse von 1936, 1937 und 1938 sein, in denen eine beachtliche Zahl von Angehörigen der sowjetischen Elite ihre Teilnahme an angeblichen trotzkistischen oder rechtsabweichlerischen Verschwörungen zugab und dafür zum Tode durch Erschießen verurteilt wurde. Dazu gehörten neben politischen Leitfiguren wie Kamenjew, Sinowjew, Radek und Bucharin auch Mitexekutoren des stalinschen Terrors. Daneben wurden im ganzen Land weniger bekannte Funktionäre abgeurteilt und umgebracht oder der GULAG überantwortet. Das alles geschah nicht im Verborgenen sondern in größtmöglicher Öffentlichkeit unter den Augen ausländischer Beobachter, wie Lion Feuchtwanger, und begleitet von organisierten Massendemonstrationen, bei denen der Tod der „Schädlinge“ gefordert wurde.
Leo Trotzki, der der ideologischen Urheberschaft zu diesen vermeintlichen Verschwörungen gegen das Sowjetvolk und die legitime Herrschaft der Partei bezichtigt wurde, war 1934 längst im Exil, und zwar von 1929-1933 in der Türkei des Kemal Atatürk und später bekanntlich in Mexiko, wo er 1940 ermordet wurde.
1937 wurde die Rote Armee „enthauptet“. Ca. 80 % der obersten Führungsebene wurden des Hochverrats bezichtigt und hingerichtet, darunter auch Tuchatschewski, der im wenig bekannten Sowjetisch-Polnischen Krieg 1920/21 dem darob in Polen bis heute hoch verehrten Marschall Pilsudski unterlegen war. Vier Jahre später sollte diese „Enthauptung“ hunderttausende Rotarmisten das Leben kosten.

Zuweilen lohnt ein Blick in die Geschichte, denn, um Karl Marx zu zitieren, ereignet sie sich „das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“

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