Mittwoch, 27. Februar 2013

Nur Politzirkus?


Von seiner wahlkämpferischen Kommandohöhe hat Generalbundeskavallerieinspekteur Stein­brück in unnachahmlicher Manier wieder einmal verbal zugeschlagen. Auf einer Wahlkampfver­anstaltung betitelte er die beiden italienischen Politdarsteller Beppe Grillo und Silvio Ber­lusconi als Clowns. Daraufhin sagte Italiens Staatspräsident Napolitano, selbst Sozialde­mokrat und ehedem gar Kommunist, ein geplantes Treffen mit Steinbrück kurzerhand ab. Im heutigen Deutschlandfunkkommentar meinte der von mir sehr geschätzte Rainer Burchardt, bis 2006 Chefredakteur dieses Senders, dass, obwohl Steinbrücks Einlassung si­cher keine politische Glanzleistung gewesen sei, Napolitano so nicht hätte reagieren müs­sen. Die deutsch-italienische atmosphärische Störung hätte wohl auch bei dem geplanten Essen ausgeräumt werden können. Und überhaupt wären ja wohl politischer Klartext und gelegentliches Schienbeintreten á la Stein­brück um Einiges besser als die permanenten Verwandlungs­kunststücke unserer Kanzle­rin.
Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber mir ist irgendwie unwohl bei dem Gedanken, diesen Vorfall einfach auf sich beruhen zu lassen und mit ein paar freundlichen Worten der Art „nicht so gemeint“ abzutun. Mir kam nämlich spontan Folgendes in den Sinn: 2003 anempfahl Silvio Berlusconi dem sozialdemokratischen Europa-Abgeordneten Martin Schulz, inzwischen ja Präsident des EU-Parlaments, im Rahmen einer scharf geführten Debatte in selbigem EU-Parlament, die Rolle des Kapo in einem italienischen KZ-Film zu überneh­men. 1999 bereits erhielt der italienische Regisseur und Schauspieler Roberto Benigni einen Oscar für seinen Film La vita è bella (dt. Das Leben ist schön), in dem er einen Mann spielt, der auf sehr clowneske Art versucht, seinem Sohn das Überleben im KZ (Bergen-Belsen) erträglich zu machen. Für mich fügt sich hier etwas zusammen.
Klare Kante hin oder her, aber auch 68 Jahre nach Ende des Krieges gibt es Be- und Empfindlichkeiten, die man nicht unbedingt herausfordern muss. Kann schon sein, dass ich völlig daneben liege mit meinen Assoziationen und Giorgio Napolitano an so etwas überhaupt keinen Gedanken verschwendet hat. Das ändert aber nichts an der generellen Tatsachenfeststellung, dass unsere Politikerkaste, gleich welcher Farbschattierung, sich mittlerweile, und das wiederum scheint mir eher ein Nach-Schröder/Fischer- und somit ein Generationen-Phänomen zu sein, durch einen hohen Grad an Geschichtsvergessenheit, kultureller Ignoranz und Empathielosigkeit auszeichnet, womit sie i.Ü. bestens zur Mehrheit der Bürger passt, die sie repräsentieren soll.

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